Der cash Insider berichtet auch im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf X/Twitter aktiv.
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Bei uns ist BCA Research wohl nur den allerwenigsten ein Begriff. Bei Grossinvestoren aus dem angelsächsischen Raum finden die Studien der unabhängigen kanadischen Investmentfirma allerdings grosse Beachtung.
Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne dürften sich erinnern, dass ich an einem Dezember-Morgen im Insider Briefing von geradezu schockierenden Aktienprognosen des BCA-Chefdenkers Peter Berezin berichtete. Er wähnte den amerikanischen Leitindex S&P 500 damals vor einem Rückschlag um nahezu 25 Prozent.
Ende März legte der Stratege nach und riet zum Kauf von Index-Puts. Während das Strafzoll-Regime Trumps bei einem Gros der Aktienmarktakteure rund um den sogenannten «Liberation Day» für einen lauten Aufschrei sorgte, verdiente man sich bei BCA Research mit dieser Baisse-Wette eine goldene Nase. In einem Kommentar schreibt Berezin nun, dass viele seiner Kunden ihre Derivatpositionen kurz nach dem «Liberation Day» mit einem Gewinn von mehr als 500 Prozent geschlossen hätten. Seine Aussage, es seien viele Gratulationen bei ihm eingegangen, lässt viel Selbstbeweihräucherung erahnen.
Wenden wir uns nun dem hiesigen Börsengeschehen zu. Auch in den letzten Tagen kosteten die Schwergewichte den Schweizer Aktienmarkt wieder wertvolle Punkte. Schon vor Wochenfrist berichtete ich von Umschichtungen aus den beiden Schwergewichten Roche und Novartis in die Valoren von Nestlé. Seit diesem Dienstag stehen diese Transaktionen in einem ganz anderen Licht, erliess der amerikanische Präsident Donald Trump an diesem Tag doch ein Dekret, mit welchem er die Medikamentenpreise senken will.
Das Dekret sieht vor, dass man sich künftig der sogenannten «Most-Favored-Nations»-Politik verschreiben will. Diese orientiert sich an den tiefsten geltenden Medikamentenpreisen in vergleichbaren anderen Ländern. Erst einmal räumt Trump der Pharmaindustrie allerdings ein Zeitfenster von 180 Tagen ein, in welchem tiefere Preise ausgehandelt werden sollen. Bleibt der erhoffte Erfolg aus, tritt der «Most-Favored-Nations»-Mechanismus in Kraft.
Zumindest in der Sache mag Trump durchaus richtig liegen. In Branchenkreisen gilt der amerikanische Markt für verschreibungspflichtige Medikamente nicht ohne Grund als der lukrativste der Welt. Experten schätzen den Anteil der verschreibungspflichtigen Medikamente an den amerikanischen Gesundheitskosten jedoch auf gerade einmal 14 bis 16 Prozent. Das wiederum liegt nur unwesentlich über jenem bei uns in der Schweiz. Dieser verharrt schon seit Jahren bei etwas mehr als 12 Prozent. Andere Posten fallen nicht nur deutlich stärker ins Gewicht, sondern wachsen auch deutlich üppiger.
Ausserdem bedrohen übertriebene Einschnitte Washingtons die Innovationskraft, wenn es darum geht, neuartige Wirkstoffe zu entwickeln. Kaum ein international tätiges Pharmaunternehmen, welches nicht in den USA Forschungs- und Entwicklungsabteilungen unterhält. Ausserdem dürfte es nicht zuletzt dem lukrativen Heimmarkt geschuldet sein, dass gerade amerikanische Pharmahersteller heute zu grössten und innovativsten der Welt zählen.
Was die möglichen Folgen der von der amerikanischen Regierung angestossenen Diskussion um tiefere Medikamentenpreise auf die künftige Gewinnkraft von Roche und Novartis anbetrifft, liess Novartis-Chef «Vas» Narasimhan rund um die Veröffentlichung der Erstquartalszahlen herum durchblicken, dass es für die Branche verheerend wäre, würde der «Most-Favored-Nations»-Mechanismus zur Anwendung kommen. Er befürchtet, dass viele Pharmaunternehmen dann gezwungen wären, ihre mittel- bis langfristigen Prognosen unter negativen Vorzeichen zu überdenken.
Die Valoren von Roche bekunden sichtlich Mühe (Quelle: www.cash.ch)
Darüber hinaus liegen mir gleich zwei unterschiedliche und doch recht ähnliche Einschätzungen vor. Beide bewegen sich in etwa in einem ähnlichen Rahmen. Berechnungen der UBS zufolge sind bei den Pharmagiganten aus Basel auf das Jahr 2028 bezogen zwischen 5 und 7 Prozent des Jahresgewinns in Gefahr. Bei der französischen Investmentbank Oddo geht man hingegen von einer möglichen Minderung des Vorsteuergewinns zwischen 3 und 6 Prozent aus. Einmal vor und einmal nach Steuern kommen sich die beiden Schätzungen ziemlich nahe.
Nur in einem Punkt ist man sich bei den beiden Banken nicht einig: Während die UBS die Genussscheine von Roche mit «Buy» und einem Zwölf-Monats-Kursziel von 314 Franken einstuft, hält Oddo mit «Underperform» dagegen. Rückblickend hatten die Franzosen ihr Kursziel erst Mitte März etwas unglücklich auf 300 (zuvor 220) Franken nachgezogen. Anders bei den Aktien von Novartis – diese werden durch Oddo mit «Neutral» und einem Kursziel von 110 Franken und bei der UBS ebenfalls mit «Neutral» und einem Zwölf-Monats-Kursziel von 104 Franken eingestuft.
Angesichts der politischen Debatte rund um tiefere Medikamentenpreise bleiben für mich die Aktien von Sandoz eine echte Alternative zu den Valoren der Basler Pharmagiganten. Bei allem Verständnis für die Pläne der Regierung in Washington liesse sich auch mit der vermehrten Verschreibung günstigerer Biosimilars viel Geld sparen.
In Sachen Biosimilars – unter diesen Begriff fallen günstigere Nachahmerversionen biotechnologischer Wirkstoffe – sind die USA noch fast so etwas wie ein Entwicklungsland. Diesen Vergleich stammt nicht etwa von mir, sondern von einem Kenner der Situation in Übersee. Anders als in unseren Breitengraden werden in den USA noch kaum Biosimilars verschrieben.
Leider befürchte ich, dass die Massnahmen Washingtons zur Senkung der Medikamentenpreise und mögliche Strafzölle auf Medikamentenimporte auch Sandoz in Mitleidenschaft ziehen könnte – wenn auch in geringerem Ausmass als die herkömmlichen Pharmaunternehmen. Deshalb gilt für die ehemalige Novartis-Tochter auch weiterhin: Unter den Blinden ist der Einäugige König.
Bleiben wir doch noch ein bisschen bei den Plänen Washingtons. Gestern Donnerstag räumte die renommierte Financial Times dem Thema Bankenregulierung viel Platz in ihrer Ausgabe ein. Während Politik und Regulatoren bei uns die Schraube anziehen und die Eigenmittelvorschriften weiter verschärfen wollen, ist in Übersee genau das Gegenteil der Fall. Auf politischer Ebene sind Bestrebungen im Gang, die Eigenmittelunterlegung zu lockern. In der Financial Times ist von einer der umfassendsten Senkungen der Eigenmittelvorschriften für Banken seit mehr als einem Jahrzehnt nachzulesen. Dass ausgerechnet eine unmittelbar nach der Bankenkrise von 2008/09 eingeleitete Verschärfung rückgängig gemacht werden soll, lässt aufhorchen.
Gerade für die Aktionärinnen und Aktionäre der UBS muten diese Zeilen wie Hohn an. Denn die Diskussion rund um ein massgeschneidertes strengeres Eigenmittel-Regime für die grösste Schweizer Bank will nicht verstummen. Es dürften noch Wochen verstreichen, bis sich der regulatorische Nebel hierzulande lichtet.
Bleibt mir nichts weiter übrig, als zu hoffen, dass das «Triumvirat» bestehend aus Politik, Eidgenössischer Finanzmarktaufsicht und Schweizerischer Nationalbank bei den massgeschneiderten Vorschriften für die UBS Augenmass beweisen. Die übermächtigen Rivalen aus Übersee machen der Grossbank im Tagesgeschäft heute schon das Leben schwer. Da wäre es aus Schweizer Sicht doch ziemlich unklug, ihre ungleichen Spiesse im internationalen Wettbewerb unnötig weiter kürzen. Dass sich die «Too-big-to-fail»-Problematik nicht wegdiskutieren lässt, dessen bin ich mir durchaus bewusst. Aber vielleicht gibt es ja auch Alternativen dazu, bereits jetzt strengsten Eigenmittelvorschriften der Welt weiter zu verschärfen.
Am Rande hier noch kurz eine gute Neuigkeit für die Anteilseigner der UBS: Der für die Deutsche Bank tätige Analyst Benjamin Goy nimmt seine diesjährigen Gewinnschätzungen für die Grossbank kräftig nach oben. Die überarbeiteten Annahmen liegen um nicht weniger als 17 Prozent über den bisherigen. Auch jene für die beiden kommenden Jahre passt er nach oben an – wenn auch in einem deutlich überblickbareren Rahmen. Angesichts der noch immer ungeklärten Eigenkapitaldiskussion errechnet der Analyst mit 32 (zuvor 31) Franken nur ein leicht höheres Kursziel. An der Kaufempfehlung hält er dennoch fest.
Kommen wir auf DocMorris zu sprechen. Seit Dienstag werden die Aktien der Versandapotheke ex Bezugsrechte gehandelt. Noch selbentags waren grössere Deckungskäufe aus dem Lager der Leerverkäufer zu beobachten. Das wiederum lässt mich vermuten, dass die üppigen Wetten gegen das Unternehmen zurückgefahren werden. Noch vor wenigen Wochen wurde mit fast jeder zweiten ausstehenden Aktie auf rückläufige Kurse spekuliert, wenn man den Erhebungen der Beratungsfirma S&P Global denn Glauben schenken will.
Der Abgang der Bezugsrechte hinterliess bei den Aktien von DocMorris zuletzt Spuren (Quelle: www.cash.ch)
Seit Mittwoch ist wieder grösserer Verkaufsdruck über die Bezugsrechte zu verzeichnen. Es macht ganz den Anschein, als ob längst nicht alle bisherigen Aktionärinnen und Aktionäre dem schlechten Geld ihr gutes hinterherwerfen wollen. In weiser Vorahnung lässt sich DocMorris die Kapitalerhöhung von den Banken garantieren.
Weitsicht bewies Analyst Michael Heider von Warburg Research. Er hatte sein Kursziel unmittelbar vor dem Abgang der Bezugsrechte vorsorglich schon mal auf 10,80 (zuvor 19) Franken zusammengestrichen. Seines Erachtens erkauft sich die Versandapotheke die Stärkung der Eigenmittelbasis mit einer massiven Verwässerung. Er stuft die Aktien deshalb wie bis anhin nur mit «Hold» ein.
Viele andere Berufskollegen konnten sich noch nicht zu Anpassungen in ihren Bewertungsmodellen durchringen. Umso mehr erwarte ich spätestens ab dem kommenden Donnerstag – an diesem Tag werden die neugeschaffenen Aktien erstmals gehandelt – mit weiteren einschneidenden Kurszielreduktionen. Mal schauen, ob diese sich bei DocMorris dann noch in der Aktienkursentwicklung niederschlagen.
Mehr dazu vermutlich schon am nächsten Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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