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Selten zuvor lagen bei uns am Schweizer Aktienmarkt Freud und Leid so nahe beieinander. Schrieb der Swiss Performance Index (SPI) gestern Donnerstag bei 17'480 Punkten erstmals wieder neue Rekorde, folgt heute Freitag aufgrund negativer Vorgaben aus Übersee bereits wieder eine kalte Dusche. Dass das breit gefasst Börsenbarometer trotz erneuten Turbulenzen bei den amerikanischen Regionalbanken bloss eine leicht negative Wochenbilanz aufweist, ist dem hiesigen Schwergewicht Nestlé zu verdanken.
Mit Blick auf die Umsatzveröffentlichung von gestern Donnerstag gehörte die mediale Bühne diese Woche ganz dem Nahrungsmittelmulti – wobei das Interesse weniger dem Zahlenkranz selber, als vielmehr den Aussagen des neuen Firmenchefs Philipp Navratil galt. Wer sich einen Befreiungsschlag wie etwa ein neues Aktienrückkaufprogramm finanziert über einen Verkauf des L'Oréal-Pakets erhofft hatte, wurde zwar enttäuscht. Allerdings reichte dann doch alleine schon die Belebung beim Umsatz im dritten Quartal aus, um den Kurs der Aktien um acht Prozent und mehr steigen zu lassen. Es ist dies der üppigste Tagesgewinn seit 2008.
Rückblickend war es dem Nahrungsmittelmulti zwischen Juli und September nicht nur möglich, die Absatzpreise um durchschnittlich 2,8 Prozent zu erhöhen. Auch der Mengenabsatz – dieser Kennzahl wird in Analystenkreisen grosse Beachtung beigemessen - konnte im Jahresvergleich um 1,5 Prozent gesteigert werden. In beiden Fällen übertraf Nestlé selbst die kühnsten Erwartungen. Zugegeben: Der zusätzliche Werktag gegenüber dem dritten Quartal letzten Jahres dürfte geholfen haben. Dennoch war es fast, als ob das Gesetz der Preiselastizität am Hauptsitz in Vevey nicht gelten würde.
Die Nestlé-Aktien reagierten am Donnerstag mit einem Kurssprung auf die Neunmonatsumsatzzahlen (Quelle: www.cash.ch)
Zumindest für mich gibt es keinen Zweifel daran: Der Zahlenkranz trägt schon jetzt die Handschrift Navratils. Doch auch sonst kamen die Aussagen des neuen Firmenchefs an der Börse gut an. Einerseits will er die Effizienz verbessern, andererseits aber auch in die eigenen Marken investieren. Ausserdem sollen neben dem Wasser-Geschäft weitere Geschäftsbereiche wie etwa jenes mit Vitaminen einer strategischen Überprüfung unterzogen werden und eventuell zum Verkauf kommen. Diese Verkaufsabsichten fürs Vitamin-Geschäft sind allerdings nicht neu, gab es in den letzten Wochen doch bereits in diese Richtung gehende Mutmassungen.
Die Fortschritte, welche sich im dritten Quartal im Tagesgeschäft erzielen liessen, bestärken mich in meiner positiven Haltung gegenüber dem neuen Nestlé-Chef. Ich teile die Einschätzung firmennaher Kreise, wonach unter Philipp Navratil vieles rasch besser werden sollte. Fantasie geht aus Aktionärssicht ausserdem von der Beteiligung am französischen Kosmetikhersteller L'Oréal aus.
Mit der neuenburgischen Cicor legte diese Woche einer der diesjährigen Börsenüberflieger seinen Zahlenkranz für das dritte Quartal vor – und sorgte prompt für enttäuschte Gesichter. Auf den ersten Blick wusste der Rüstungszulieferer den Umsatz im Jahresvergleich zwar um mehr als 30 Prozent auf 160 Millionen Franken zu steigern. Allerdings waren Analysten durchschnittlich sogar von 170 Millionen Franken ausgegangen. Ausserdem blähten die vielen ergänzenden Übernahmen der jüngeren Vergangenheit das Wachstum künstlich auf. Organisch betrachtet war die Umsatzentwicklung im Jahresvergleich denn auch leicht rückläufig. Dass der Auftragseingang mit 174,5 Millionen Franken die Erwartungen erfüllen konnte, verhinderte eine deutlichere Kurszäsur.
Interessant erscheint mir, dass mit LLB Swiss Investment ein langjähriger Cicor-Grossaktionär seine Beteiligung nur wenige Tage vor der Zahlenveröffentlichung weiter ausdünnte. Wurde der SIX Swiss Exchange im Dezember vergangenen Jahres noch ein Stimmenanteil von gut vier Prozent gemeldet, sind es neuerdings weniger als drei Prozent. Die Fondstochter der LLB zählt seit dem Frühsommer 2018 zu den bedeutendsten Anteilseignern der Neuenburger und hielt in der Spitze einst nahezu sechs Prozent der Stimmen.
Cicor ist übrigens nicht der einzige Börsenüberflieger der letzten Jahre, bei welchem langjährige Grossaktionäre in den vergangenen Tagen Kasse gemacht haben. Ich denke da etwa auch an Burckhardt Compression. Wie aus einer Offenlegungsmeldung hervorgeht, hat sich der Versicherer NN Group von weiteren Aktien getrennt. Hielten die Niederländer in der Spitze mehr als zehn Prozent am Hersteller von Kolbenkompressoren, sind es mittlerweile keine fünf Prozent mehr. Die NN Group zählt seit November 2019 zu den Grossaktionären.
Bei diesen Beteiligungsreduktionen dürfte es sich bloss um die Spitze des Eisbergs handeln. Wie ich am Mittwoch in meiner Kolumne berichtete, häufen sich an den Aktienmärkten die Anhaltspunkte für einen Regimewechsel. Selber bin ich nun neugierig, ob in den kommenden Wochen ähnliche Offenlegungsmeldungen bei der SIX Swiss Exchange eingehen werden.
Eine Watsche gab es am Dienstag für das Triumvirat bestehend aus Bundesrat, SNB und die Finma. Das Schweizer Bundesverwaltungsgericht (BVGer) kommt nämlich zum Urteil, dass es keine Rechtsgrundlage für die vollständige Abschreibung der AT1-Pflichtwandelanleihen der Credit Suisse im März 2023 sieht. Folglich kippen die Richter die Verfügung der Finma von damals. Letztere wiederum hat sich dazu entschieden in Revision zu gehen und den Fall ans Bundesgericht weiterzuziehen.
Wer nun denkt, dass die Aktien der UBS in den letzten Tagen wegen der Urteilsverkündung unter Druck standen, der irrt. Insbesondere am Dienstag stand der gesamte europäische Bankensektor unter Verkaufsdruck, nachdem mit J.P. Morgan, der Citigroup und Goldman Sachs in Übersee gleich drei Branchengrössen die Quartalsberichterstattung eingeläutet hatten. Dann kam es bei den amerikanischen Regionalbankaktien zu Turbulenzen. Verglichen mit den Valoren anderer europäischer Banken kamen jene der grössten Schweizer Bank sogar noch glimpflich davon. Dennoch hiess es in den hiesigen Börsenkommentaren, dass die Kursverluste dem Gerichtsurteil geschuldet gewesen seien. Zugegeben: Geholfen haben dürfte das Urteil auch nicht.
Schon seit Tagen haben die Aktien der UBS einen schweren Stand (Quelle: www.cash.ch)
In Börsenkreisen gehen die Wogen seit Tagen hoch. Einige Beobachter sehen auf Jahre hinaus einen kostspieligen Rechtsstreit auf die UBS zukommen und befürchten neben dem strengeren Eigenmittel-Regime eine weitere milliardenschwere «Baustelle» für die Grossbank.
Die Wogen zu glätten versucht der für Kepler Cheuvreux tätige Analyst Nicolas Payen. Er will verstanden wissen, dass die heutige Credit-Suisse-Mutter nicht selber involviert ist. Daher müsse sie auch keine Rückstellungen bilden. Nichtsdestotrotz sorge die Angelegenheit für Ungewissheit, wie Payen offenherzig einräumt. Er selber stuft die UBS-Aktien wie bis anhin mit «Buy» und einem Kursziel von 34,50 Franken ein.
In der Diskussion darf nicht vergessen gehen, dass besagte AT1-Pflichtwandelanleihen der Credit Suisse unmittelbar vor der Finma-Verfügung vom März 2023 für nicht mal mehr 30 Cents je Dollar des Nominalwerts gehandelt wurden. Sprich: Der tatsächliche finanzielle Schaden, welche die Gläubiger gegenüber der Eidgenossenschaft oder wem auch immer geltend machen können, liegt weit unter den in den Medien herumgereichten 17 Milliarden Dollar...
Die Übernahme von U-blox durch Advent International ist noch vor Ablauf der Nachfrist geglückt, wie einer Mitteilung an die Medien entnommen werden kann. Bis zum späten Dienstagabend wurden dem Finanzinvestor etwas mehr als 67,5 Prozent der Aktien angedient und der erforderliche Schwellenwert damit übertroffen.
Es war bis zuletzt eine Zitterpartie für die Amerikaner, hatte man sich in hiesigen Börsenkreisen doch bereits auf eine Angebotsnachbesserung oder ein Gegenangebot eingestellt. Gleich mehrere namhafte Grossaktionäre, darunter der Vermögensverwalter Janus Henderson, dienten ihre Aktien deshalb noch nicht an. Ausserdem nisteten sich zeitnah Trittbrettfahrer wie der britische Hedgefonds Sand Grove ein – immer in der Hoffnung auf das schnelle Geld.
Nun aber ist die Übernahme in trockenen Tüchern und die Trittbrettfahrer haben das Nachsehen. Grössere Verluste dürften sie nicht zu beklagen haben, notierten die U-blox-Aktien in den vergangenen Wochen bestenfalls ein paar wenige Franken über dem Barangebot von 135 Franken je Stück.
Chefanalyst Torsten Sauter von Kepler Cheuvreux geht folglich von «Hold» auf «Accept Offert», wobei er sich beim Kursziel von 135 Franken auf das im Raum stehende Angebot abstützt. Der Mist ist geführt, würde der Bauer da wohl sagen.
Apropos Analysten: Der für Vontobel tätige Michael Foeth stellt die Abdeckung der Aktien von Oerlikon ein. Er begründet diesen Schritt mit einer Neuverteilung vorhandener Kapazitäten. Die Valoren des Oberflächenbehandlungsspezialisten wurden zuletzt mit «Hold» und einem Kursziel von 3,70 Franken eingestuft.
Für mich kommt die Einstellung der Abdeckung durch die Zürcher Bank nicht eben überraschend, kratzt der Börsenwert von Oerlikon doch von oben an der magischen eine-Milliarde-Dollar-Marke. Gerade amerikanische Grossinvestoren sind bekannt dafür, einen grossen Bogen um Aktien von Unternehmen mit einer Börsenkapitalisierung von weniger als einer Milliarde Dollar zu machen.
In der Bedeutungslosigkeit dürfte das Unternehmen deswegen allerdings nicht versinken. Es gibt neben Vontobel noch unzählige andere Banken, welche diese Aktien mitverfolgen – wenn auch nur die allerwenigsten mit einer Kaufempfehlung. Aber das muss ja nicht eben schlecht sein.
Nächste Woche nimmt die Quartalsberichterstattung bei uns am Schweizer Aktienmarkt weiter Fahrt auf. Mein Interesse gilt dabei den Zahlenkränzen von Sika und Roche – wobei den Baslern in Analystenkreisen ja sogar eine Erhöhung der diesjährigen Ziele nachgesagt wird. Mehr zum Thema am kommenden Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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1 Kommentar
Danke CASH Insider, dass Sie dezidiert darauf hinweisen um welche Beträge es bei den AT1 geht: Nie und nimmer sind es die 16 Mia. Der Kurs war schon lange vorher viel tiefer. Ich weise schon lange in div. Foren darauf hin. Trotzdem sind sich die Überschriften in der Presse gleich geblieben. Schöchli in der NZZ hat kürzlich in einem Kommentar die Sache auch angesprochen. Hinweisen könnte man auch, dass die Besitzer dieser Anleihen jahrelang um die 10% Zins kassiert haben.