Rekordanstiege bei den Neuinfektionen und ein neuerlicher teilweiser Stillstand der Wirtschaft dürften zum Start in den November an den Nerven der Anleger zehren. Es werde eine Weile dauern, bis klar sei, ob der von Bund und Ländern beschlossene "Wellenbrecher-Lockdown" wie gewünscht wirke, sagt Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets.
"Noch sollen Unternehmen, Schulen und Kitas offenbleiben und die Hoffnung auch an der Börse ist gross, dass dies so bleiben kann." Gesamtwirtschaftlich werde das Schliessen von Gaststätten und etlichen Dienstleistungsbereichen für weitere vier Wochen aber merkliche Effekte haben, "selbst wenn die Einbussen nicht so gravierend sein dürften wie im Frühjahr", sagt DZ-Bank-Volkswirt Stefan Bielmeier.
In den vergangenen Tagen hatten die explodierenden Infektionszahlen die Furcht vor einer erneuten Rezession geschürt und dem Dax ein Minus von mehr als acht Prozent eingebrockt. Damit steuerte er auf den grössten Wochenverlust seit dem Corona-Börsen-Crash vom März zu. Der Swiss Market Index hielt sich dagegen ein wenig besser. Der Wochenverlust beläuft sich auf gut 4 Prozent.
Chaos bei der US-Wahl?
Am Dienstag blicken die Investoren dann mit Argusaugen auf die USA und das Rennen um das Weisse Haus. Dabei gehe es weniger darum, ob sich Präsident Donald Trump behaupten könne oder sein demokratischer Herausforderer Joe Biden siege, sagt Axel Cron, Chef-Anleger der Vermögensverwaltung der Bank HSBC in Deutschland. "Im Kern werden beide einigermassen wirtschaftsfreundlich agieren. Für die Kapitalmärkte ist Fed-Chef Jerome Powell letztlich wichtiger als der nächste Präsident, und der hat den Kurs bereits vorgegeben: dauerhaft niedrige Zinsen." Eine Bekräftigung dieses Kurses erwarten Börsianer im Anschluss an die US-Notenbanksitzung am Donnerstag.
Das eigentliche Risiko sehen Analysten eher im Umgang mit dem Wahlergebnis. "Sollte Trump verlieren, wird er den Prozess der Machtübergabe so schwierig wie möglich gestalten", warnt Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. Ausserdem würden die ersten Hochrechnungen voraussichtlich ein verzerrtes Bild liefern, da die Auszählung der zahlreichen Briefwahl-Stimmen meist erst nach Schliessung der Wahllokale beginne, gibt Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com, zu Bedenken. Anleger sollten sich daher auf Kursturbulenzen einstellen.
Neue Welle an Quartalszahlen
Dies drängt die US-Arbeitsmarktdaten am Freitag, üblicherweise die wichtigste Datenveröffentlichung des Monats, etwas in den Hintergrund. Einen Vorgeschmack liefern die Zahlen der privaten Arbeitsagentur ADP zwei Tage zuvor. Auf dem Terminplan stehen ausserdem die Stimmungsbarometer für die deutschen und europäischen Einkaufsmanager am Montag. Am Donnerstag und Freitag folgen die Auftragseingänge und Produktionszahlen für die deutsche Industrie.
Gleichzeitig rollt eine neue Welle von Firmenbilanzen auf Investoren zu. Allein im Dax öffnen etwa ein halbes Dutzend Firmen ihre Bücher. Hierzu zählen der Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer sowie die beiden Versicherer Münchener Rück und Allianz. Aus dem Ausland legen der Billigflieger Ryanair und Berkshire Hathaway, die Investmentgesellschaft des Börsengurus Warren Buffett Zahlen vor.
In der neuen Woche werden auch in der Schweiz wieder zahlreiche Unternehmen ihre Quartalszahlen bekanntgeben. Am Dienstag öffnen Adecco, Dufry, die Luzerner Kantonalbank, Oerlikon, Ypsomed und Lem ihre Bücher. Am Mittwoch folgen Swiss Life, Pargesa, Vontobel und Burckhardt. Am Donnerstag präsentieren Klingelnberg, Valiant, Swiss und Züblin ihre Zahlen. Am Freitag schlägt für AMS, Richemont, Aluflexpack und PEH die Stunde der Wahrheit.
(Reuters/cash)