Der Krieg in Ukraine macht eines deutlich: Die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl gefährdet die Energiesicherheit in Europa. Alternative Energien von Wind bis zu Solar rücken in den Vordergrund. Der Krieg in der Ukraine und auch die steigenden Energiepreise stärken den politischen Willen, den Übergang zu sauberer Energie zu beschleunigen. 

Von dieser Ausgangslage profitieren Unternehmen, die im Bereich erneuerbaren Energien tätig sind. Gemessen am "iShares Global Clean Energy ETF (Exchange Traded Funds) (ISIN:  IE00B1XNHC34)" hat der Sektor seit Kriegsbeginn am 24. Februar 17 Prozent hinzugewonnen. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der ETF immer noch leicht unter dem Stand von Anfang Jahr gehandelt wird. Um das Rekordhoch Vor einem Jahr zu erreichen, müsste dieser sogar noch um 61 Prozent ansteigen.

Der beobachtbare starke Kursanstieg seit knapp einer Woche ist jedoch mehr als ein Lebenszeichen. Der Anstieg der Erdgaspreise als Folge des russischen Einmarsches in die Ukraine werde europaweit und vor allem in Deutschland den Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigen, prognostizierten die Analysten der Citigroup. Das Lebenszweichen bei "grünen" Aktien ist daher vermutlich keine Eintagsfliege, sondern nachhaltig.

Windkraft: Von Vestas bis Gurit

Sollte beispielsweise Deutschland seine ehrgeizigen Ziele erreichen, könnte dies den Windkraftanlagenbauern Vestas und Nordex bis 2026 zusätzliche Umsätze von bis zu 15 Prozent bescheren. Die Aktien von Vestas und Nordex sind seit Kriegsbeginn über 32 Prozent in die Höhe geschnellt. Während bei Nordex die Profitabilität weiterhin ein grosses Problem darstellt, könnte Vestas - der weltgrösste Hersteller von Windkraftanlagen - als Investment interessant werden.

Auf die Beobachtungsliste gehören auch die Anteilsscheine von Orsted. Das dänische Unternehmen ist zwar kein Windkraftanlagenbauer, aber Weltmarktführer im Bereich von Offshore-Windenergie. Die Aktien haben seit letztem Mittwoch 22 Prozent hinzugewonnen. Dies könnte den ersehnten Ausbruch signalisieren, nachdem die Aktie seit letztem September kontinuierlich an Wert eingebüsst hatte. Auch das weiterhin hohe Kurs-Gewinn-Verhältnis von 33 verliert angesichts der neuen politischen Ausgangslage seinen Schreck.

Auch in der Schweiz gibt es Gewinner-Aktien des sich anbahnenden verstärkten Ausbaus erneuerbarer Energien. Gurit, das seit Januar 2021 beständig an Wert verloren hat, gewinnt in den letzten fünf Handelstagen 12 Prozent hinzu. Gurit ist ein global präsenter Verbundwerkstoffspezialist. Die produzierten Leichtbaumaterialien werden in Windkraftanlagen sowie in Flugzeugen, Schiffen und weiteren Anwendungen verbaut. Die Flaute im Windenergie-Geschäft dürfte nun wohl vorbei sein. Das vorausschauende Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt bei 24.

Kursentwicklung der Gurit-Aktien seit Januar 2021 (Quelle: cash.ch).

Solar und Wasserstoff: Von Meyer Burger bis ITM Power

Noch deutlicher im Wert steigen die Aktien des Solarmodulherstellers Meyer Burger. Mit einem Kursplus von 36 Prozent innerhalb von fünf Handelstagen minimiert sich der Kursverlust seit Jahresbeginn auf knapp 7 Prozent. Vom Höchststand Ende Juni bei knapp 60 Rappen ist der Pennystock mit einem Wert von 38 noch Welten entfernt. Am 24. März wird das Unternehmen Gwatt die Jahreszahlen präsentieren. Bis dahin eignet sich die Aktie nur für risikonehmende Investoren. Ob die Transformation zu einem Solarproduzenten reibungslos gelingt, ist nicht gesichert.

Ein ganz anderes Kaliber ist der US-Solarmodulhersteller First Solar, der auf eine Marktkapitalisierung von 8 Milliarden Dollar kommt. Seit dem 24. Februar hat der Titel 17 Prozent hinzugewonnen. Das Kursminus seit Jahresbeginn beläuft sich trotzdem auf 13 Prozent. Für eine Investition in First Solar spricht, dass dieses trotz des harten und jahrelangen Konkurrenzkampfes über eine starke Bilanz verfügt. Die chinesische Alternative dazu wäre Jinko Solar. JinkoSolar profitiert als weltgrösster Solarmodulhersteller und Kostenführer an erster Stelle von einer gesteigerten Nachfragelage.  Doch aufgepassst Jinko Solar birgt ein "China-Risiko". So soll das Unternehmen in Fabriken von Zwangsarbeit der politisch verfolgten Minderheit der Uiguren profitieren.

Der wachsende Wunsch, langfristig komplett von fossilen Rohstoffen unabhängig zu werden, führt auch zu einem Rally bei den zuletzt arg gebeutelten Wasserstoff-Aktien. Plug Power steigt in den letzten fünf Handelstagen 25 Prozent. Die Aktie des verlustschreibenden Herstellers von Brennstoffzellen steht trotzdem 12 Prozent tiefer als zu Jahresbeginn. Seit dem Höchststand im Januar 2021 hat der Titel sogar 63 Prozent an Wert verloren. Das US-Unternehmen wächst stark und strebt an, 2023 erstmals die Gewinnzone zu erreichen. Plug Power bleibt einer der spannendsten Titel im Wasserstoff-Bereich.

Kursentwicklung der Aktien von Plug Power seit Januar 2021 (Quelle: cash.ch).

Eine ähnlich mutige Wette sind die Aktien des Brennstoffzellenherstellern Ballard Power Systems, die sogar seit Kriegsbeginn um 43 Prozent in die Höhe geschossen sind. Auch stark nachgefragt sind die Wasserstoff Titel Nel ASA (+26 Prozent) oder ITM Power (+43 Prozent). Das Wasserstoff allmählich mehr als eine spekulative Zukunftswette ist, beweist auch die Ansage von Airbus einen Riesenjet mit Wasserstoffantrieb zu bauen. Und EU-Energiekommissarin Kadri Simson schätzt, dass Wasserstoff 2050 13 bis 14 Prozent im EU-Energiemix ausmachen wird.

Equinor mit Fusionskraft-Fantasie

Weniger Aufregung bieten die Aktien traditioneller Stromversorger wie die deutsche RWE oder die schweizerische BKW. Sie trumpfen hingegen mit einem soliden Geschäftsmodell, tiefen KGVs und Dividenden über 2 Prozent auf. Der portugiesische Energieproduzent EDP Renováveis bietet eine "grünere" Alternative dazu - er setzt schwerpunktmässig auf Windenergie und ist dort das weltweit drittgrösste Unternehmen. Der Titel hat in den letzten fünf Handelstagen mitplus 18 Prozent an Fahrt gewonnen, ist aber mit einem KGV von 30 auch teuer.

Unter den Erdöl- und Erdgas-Konzernen, die sich hinzu erneuerbaren Energien bewegen, ist ein Investment beim norwegischen Equinor vielversprechend. Zwar gewinnt die Aktie mit plus 8 Prozent seit Kriegsbeginn weniger stark als Vestas oder Plug Power. Doch das Kursplus seit Jahresbeginn beläuft sich auf 28 Prozent. Auf Jahressicht ist die Aktie sogar um 74 Prozent gestiegen. Der Konzern profitiert von den hohen Erdgas- und Ölpreisen.

Kursentwicklung der Aktien von Equinor seit Januar 2021 (Quelle: cash.ch).

Trotz dieses starken Kursanstiegs liegt das KGV bei 13 und die Dividendenrendite bei 1,5 Prozent. Zudem könnte sich bei Equinor eine grosse Kernfusion-Fantasie entfalten. Der norwegische Energiekonzern ist mit 84 Millionen Dollar an Commonwealth Fusion Systems beteiligt. Das Unternehmen, in das auch Bill Gates investiert hat, will bis Anfang der 30er Jahre einen kommerziellen Fusionsreaktor einsatzbereit haben. Kernfusion könnte nicht nur die Energieknappheit sondern auch das Klimaproblem entschärfen. In der Theorie wäre es so möglich mit 70 Gramm Wasserstoff die Energiemenge eines Öltankers zu produzieren.