Bankenkrise, Rezessionsängste und Zinshoffnungen haben die Märkte in den USA und Europa in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres geprägt. Insbesondere der Zusammenbruch der US-Regionalbank Silicon Valley Bank (SBV) in den USA und das Ende der Credit Suisse sind prägend, haben aber die Börsen nicht nachhaltig in die Tiefe reissen können. Vielmehr hat die Hoffnung auf bald sinkende Zinsen Tech-Aktien auf beiden Seiten des grossen Teichs befeuert. 

Der Nasdaq-100-Index hat seit Jahresbeginn 17 Prozent gewonnen - eines der besten Quartale seit einem Jahrzehnt. Dies ist nicht nur den Hoffnungen auf sinkende Zinsen, sondern wohl auch der wieder expandierenden Bilanz der US-Notenbank Fed geschuldet. Mit dem starken Auftrieb befindet sich der Tech-Index zum ersten Mal seit fast drei Jahren wieder in einem Bullenmarkt, nachdem er sich von seinem Tiefpunkt Ende 2022 um rund 20 Prozent erholt hat.

"Die Erholung der Tech-Aktien hat vor allem mit den Zinsen zu tun. In den USA sind diese je nach Laufzeit im ersten Quartal zwischen 30 und 40 Basispunkten zurückgekommen," sagt auch Raiffeisen-Anlagechef Matthias Geissbühler auf Anfrage von cash.ch.  Als typischer "Long Duration"-Sektor habe der Technologiebereich davon überdurchschnittlich profitiert. Zudem dürfe nicht vergessen werden, dass der Tech-Sektor im Jahr 2022 überproportional stark eingebüsst habe.

Doch auch eher zyklische Titel wie der Autobauer Stellantis, europäische Luxusgüterhersteller oder der Siemens-Konkurrent GE gehören zu den Gewinnern, da sich die drohende Rezessionsgefahr noch nicht wirklich sich in den Köpfen manifestiert hat. Die Gewinnschätzungen wurden zwar in den letzten Wochen kontinuierlich nach unten revidiert - dürften aber vermutlich insgesamt noch immer zu hoch sein.

Megatrend Künstliche Intelligenz als Kurstreiber bei US-Techaktien

Der breite S&P 500, der zu den meistbeachteten Aktienindizes der Welt gehört, gewinnt seit Jahresbeginn knapp 5 Prozent. Angeführt wird der US-Index vom Halbleiterhersteller Nvidia (+85 Prozent), der dank seiner marktbeherrschenden Stellung bei Grafikchips vom ChatGPT-Hype profitiert. Doch auch AMD (+48 Prozent), Hersteller von PC-Chips und einfacheren Grafikkarten, hat sich gemäss Analysten ebenfalls gut positioniert, um vom Boom bei der Künstlichen Intelligenz zu profitieren.

Meta (+71 Prozent) befindet sich nach dem letztjährigen Absturz auf der Überholspur. Der Facebook-Konzern hat im vergangenen Quartal trotz eines erneuten Umsatzrückgangs besser abgeschnitten als von Analysten erwartet. Auch der im März angekündigte Abbau von weiteren 10'000 Arbeitsplätzen kommt an der Börse gut an, da die Fokussierung auf die Aktionärsrendite damit in den Vordergrund gerückt wird. Dass die "Metaverse"-Wette viel kosten wird, rückt in den Hintergrund.

Der E-Autopionier Tesla (+57 Prozent) mit seinem CEO Elon Musk ist an der Börse wieder auf der Erfolgsspur. 1,3 Millionen Fahrzeuge hat das Unternehmen 2022 ausgeliefert. Der Expertenkonsens rechnet laut Bloomberg für das erste Quartal mit einem Wachstum von über 30 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Die eingeführten Rabatte erzielen Wirkung, wie die Absatzzahlen zeigen. Zudem werden konkurrierende Newcomer mit schwächeren Margen unter Druck gesetzt, während Tesla mit erwarteten Gewinnspannen von über 20 Prozent weiterhin einer der profitabelsten Autobauer bleibt.

Tops und Flops im S&P 500

Tops und Flops im S&P 500 2023.

Tops und Flops im S&P 500 2023.

Quelle: Bloomberg

Gegenteilige Vorzeichen haben US-Finanztitel. Die First Republic Bank (-88 Prozent) war im Zuge des Zusammenbruchs der Silicon Valley Bank (SVB) in Bedrängnis geraten. Oder das Broker-Imperium Charles Schwab Corporation (-34 Prozent) zeigt mit den Zinsanstiegen Risse, da Kunden abwandern. Gleichzeitig entdecken Anleger Risiken bei unrealisierten Verlusten, die bisher im Verborgenen lagen. "Die Kreditausfälle dürften (insbesondere in den USA) weiter zunehmen. Gegenüber Bankaktien bleiben wir entsprechend zurückhaltend", sagt Geissbühler.

Europas Banken behaupten sich

Gemessen am Euro Stoxx 50 überzeugen in den ersten drei Monaten europäische Titel überdurchschnittlich - einzig sechs von 50 Titeln befinden sich im Minus. Das führende Börsenbarometer Europas weist ein Kursplus von 13 Prozent auf. Die Performance ist damit deutlich besser als die des S&P 500 und nur geringfügig schlechter als die des Nasdaq 100. Gegenüber dem Swiss Market Index (SMI), der seit Jahresbeginn 3 Prozent höher steht, ist der Abstand noch erheblicher.

Auffällig im Vergleich mit dem US-Markt ist dabei das Abschneiden der europäischen Banken. Unicredit (+32 Prozent), die Anfang Januar den höchsten Gewinn seit zehn Jahren vorgelegt hat, führt den Index an. Banco Santander belegt mit einem Kursplus von 24 Prozent den achten Platz. Einzig die Banken Nordea Bank (-2 Prozent) und Ing Groep (-3 Prozent) verlieren. Es fragt sich aber, inwieweit der kräftige Zinsanstieg und die inverse Zinsstruktur nicht auf für Europas Banken ein Ertragsproblem darstellen, dass sich zukünftig im Aktienkurs abbilden könnte.

Der Optimismus dank der Wiedereröffnung der Wirtschaft in China hat die Aktien der europäischen Luxusgüterhersteller Hermès (+27 Prozent), Kering (+25 Prozent) oder LVMH (+19 Prozent) an der Börse nach oben getrieben. Diese Unternehmen profitieren auch davon, dass sie über eine hohe Preissetzungsmacht verfügen, was das anlaufende Wachstum in Gewinne ummünzt. Doch auch Europas Tech-Titel wie der deutsche Halbleiterhersteller Infineon (+31 Prozent) oder der monopolitische Halbleiterzulieferer ASML (+23 Prozent) legen zu.

Tops und Flops im Stoxx 50

Tops und Flops Stoxx 50 2023.

Tops und Flops Stoxx 50 2023.

Quelle: Bloomberg

Mit den Energieunternehmen Total Energies (-7 Prozent) und Eni (-3 Prozent) gehören im Stoxx 50 zwei letztjährige Profiteure von den hochschiessenden Preisen beim Öl und Gas zu den Verlierern. Die deutlichste Negativperformance weist jedoch Vonovia auf. Der deutsche Wohnimmobilienkonzern kämpft mit hausgemachten Problemen wie überteuerten Zukäufen als Folge einer aggressiven Wachstumsstrategie. Die Übernahme vom Konkurrenten Deutsche Wohnen für 17 Milliarden Euro hat heute noch einen Marktwert von gerade einmal 7 Milliarden Euro.

Droht eine Enttäuschung bei den Zinssenkungshoffnungen?

Die Bilanz an den Aktienmärkten ist trotz der wohl weiter schwellenden Bankenkrise bisher erfreulich: Swohl in Europ und den USA haben Technologietitel zu einer Erholung von den letztjährigen Verlusten angesetzt. Und auch zyklische Werte werecken den Eindruck als würde die Weltweirtschaft trotz Zinsschock nicht in eine Rezession abgleiten.

Geissbühler macht bei den Zyklikern eine verfrühte Erholung aus, da eine technische Rzession in Europa absehbar ist. Dies dürfte sich auf die Gewinnentwicklung negativ niederschlagen. Doch auch bei den Tech-Aktien ist er skeptisch: "Die im Markt eingepreisten Zinssenkungshoffnungen dürften enttäuscht werden. Auch die schwache Marktbreite spricht aus unserer Sicht nicht für eine nachhaltige Erholung im Tech-Sektor." Der Fokus bleibe im kommenden Quartal klar auf die weitere Inflationsentwicklung und die Geldpolitik der Notenbanken gerichtet.

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