Sika ein Übernahmekandidat? Im Leben nicht. Der hoch erfolgreiche Zuger Bauchemiehersteller ist doch froh, den Fängen der französischen St. Gobain endlich entkommen zu sein! Aber dann: Gerade die Neuregelung des Aktionariats, eine Folge des jahrelangen Tauziehens um die St-Gobain-Pläne, gibt Übernahmegerüchten um Sika eine gewisse Wahrscheinlichkeit: Mit der Einführung der Einheitsaktie im Sommer fiel der Schutz eines Ankeraktionärs weg – das war in diesem Fall die Gründerfamilie.

Was Sika auf der anderen Seite schützt, ist ein hoher Aktienkurs. Das Unternehmen ist an der Börse fast drei Mal so viel Wert wie vor fünf Jahren und hat in den aktuellen Turbulenzen moderat verloren. Im Vergleich zu Anfang 2018 ist der Kurs heute um nur 3,5 Prozent tiefer.

Bei Sikas SMI-Kollegen Adecco sieht es schlimmer aus. In diesem Jahr ist der Kurs um ein Drittel gefallen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des Temporärkräftekonzerns wird auf 10 geschätzt, jenes von Sika auf 25. Während Sika an der Börse 17,5 Milliarden Franken wert ist, hat Adecco noch eine Marktkapitalisierung von 8 Milliarden Franken. Das macht selbst einen Grosskonzern wie Adecco zum möglichen Kandidaten für eine Fusion oder Übernahme. Denn der Markt für Temporärarbeitende ist fragmentiert, Adecco hat nur einen Marktanteil von 5 Prozent.

Logistiker im Visier

Zugegeben, eine Hochsaison für Übernahmen besteht zumindest bei börsenkotierten Unternehmen im Moment nicht unbedingt. Spektakuläre News dazu hat es 2018 kaum gegeben. Für Aufsehen sorgte etwas am breiten Markt der Kauf des Werbevermarktes Goldbach durch den Medienkonzern Tamedia. Der Blue-Chip Clariant hingegen, lange als der heisseste Übernahmekandidat in der Schweiz gehandelt, hat sich mit dem Sabic-Deal im September bis auf weiters aus der Schusslinie genommen.

Aber die Möglichkeit von Übernahmen besteht immer, und die gefallenen Aktienkurse machen die Preisschilder der Firmen wieder attraktiver. Der Logistiker Ceva, seit Mai an der Schweizer Börse, soll in die Hände der französischen Traditionsreederei CMA CGM kommen. Seit die Franzosen um Ceva buhlen, hat sich der davor darbende Kurs von Ceva um die Hälfte erhöht. Bei Panalpina ist der Kurs innerhalb von zehn Tagen um 20 Prozent hochgegangen: Zwar wird die Eigenständigkeit beim Basler Logistiker hochgehalten, aber der Frachtkonzern ist in einer Krise und könnte so ins Visier von Käufern wie Kühne+Nagel oder der dänischen DSV geraten (cash.ch berichtete).

Denn verdichten sich Übernahmegerüchte, steigt in der Regel der Kurs eines Unternehmens. Werden Pläne offen kommuniziert, sowieso. Auch andere Ereignisse wie personelle Wechsel oder Strategieänderungen, die auf Übernahmen und Fusionen hindeuten, können diesen Effekt auslösen. Wird eine Übernahme angekündigt, zahlt der Käufer den bestehenden Aktionären meistens eine Prämie, bietet also einen Kaufpreis über dem aktuellen Aktienkurs an. Was den Kauf von entsprechenden Aktien für Anleger natürlich attraktiv macht.

CEO sprechen offen über Angebote

Spekulieren darf man also auch im Sinne zu erwartender Renditen. Und unter den kotierten Schweizer Unternehmen gibt es durchaus das eine oder andere Unternehmen, wo sich eine Übernahme anbahnen könnte. Bei Mobilezone wird offen darüber gesprochen, dass es Übernahmeanfragen gegeben hat: "Wenn uns jemand übernehmen möchte und die Aktionäre sowie der Verwaltungsrat mit dem Angebot einverstanden sind, geht eine Übernahme folglich absolut in Ordnung", sagte Unternehmenschef Markus Bernhard kürzlich in einem Interview mit cash.ch. Er merkte gleich selbst an, dass der Telekomspezialist rund 500 Millionen Franken wert und mit einem KGV von 11 günstig bewertet sei. Mobilezone steht seit dem Ausstieg von Financier Martin Ebner 2017 ohne Grossaktionär da.

 

 

Im Juli befand sich der Kurs des seit 2001 kotierten Unternehmens mit 9,51 Franken auf Rekordtiefstand, ist inzwischen aber wieder auf 11,70 Franken gestiegen. Dennoch bleibt Mobilezone ein wahrscheinliches Übernahmeziel, auch wenn, wie CEO Bernhard sagte, der Fokus bei Mobilezone zunächst auf eigenen Akquisitionen liege. Aber dass beispielsweise die Migros Interesse an Mobilezone haben soll, kann man sich leicht vorstellen. 

Gründe für Übernahmefantasien bestehen auch bei Zur Rose. Wie Mobilezone wächst auch die Versandapotheke mit den Wurzeln im Thurgauer Städtchen Steckborn immer wieder mit kleineren Zukäufen. Handelsgigant Amazon beispielsweise könnte an Zur Rose interessiert sein, weil er damit an die Vertriebsstrukturen für den Medikamentenversand in mehreren europäischen Ländern käme. Wie CEO Walter Oberhänsli vor zwei Monaten zu cash.ch sagte, ist Amazon bei Zur Rose nicht vorstellig geworden. Seit dem Börsengang Mitte 2017 ist der Kurs von rund 160 Franken auf 110 Franken gesunken. Im August 2018 hatte der Kurs noch bei 140 Franken gelegen.

Grossaktionäre entscheiden

CEO und Firmenmitgründer Oberhänsli sagte auch, die Aktionäre und nicht er würden bei einem Übernahmeangebot entscheiden. Grösster Anteilseigner mit 14,5 Prozent ist derzeit KWE Beteiligungen von Investor Beat Frey. Vor wenigen Tagen aber hat KWE aber eine Kapitalerhöhung von etwa 200 Millionen Franken zum Kauf der deutschen Versandapotheke Medpex mitgetragen. Allerdings: Ein Unternehmen, das erfolgreich durch Zukäufe wächst und sein Portefeuille ergänzt, wird dadurch potentiell für einen späteren Verkauf herausgeputzt.

Gewissermassen dauerhaft im Ruf, ein Übernahmeziel zu sein, steht auch der Bankensoftwareentwickler Temenos. Zuletzt hat Temenos allerdings als interessierter Käufer von sich reden gemacht: Das Softwareunternehmen Fidessa in Grossbritannien sollte für 1,4 Milliarden Pfund erworben werden. Aus dem Deal wurde nichts, das Unternehmen wurde nicht zum Umsatzmilliardär und entschied sich für einen Aktienrückkauf. Beim Platzen solcher Deals kann es übrigens sein, dass ein gescheiterter Käufer umso mehr selbst wieder mehr ins Visier von Übernahmejägern kommt.

Im Markt von Temenos tummeln sich grosse Unternehmen wie SAP, Oracle oder die indische Tata Group. In der Schweiz konkurriert Temenos mit den nichtkotierten Softwareunternehmen Avaloq und Finnova. Mögliche Interessenten gibt es viele, je nachdem, wie diese ihre Portefeuilles strategisch arrondieren wollen.

Bewertungen spielen eine Rolle

Gegen eine Übernahme steht bei Temenos im Moment eine teure Aktie. Auch wenn der Kurs seit August um ein Viertel gesunken ist, ist der Aktienpreis immer noch mehr als vier Mal so hoch wie vor fünf Jahren. Einem Verkauf müsste der bereits genannte Grossaktionär Ebner zustimmen, der mit seiner Patinex-Holding und seiner BZ Bank knapp 11 Prozent des Kapitals hält. Wie sich bei Mobilezone gezeigt hat, zieht sich Ebner aber auch einmal von einem Engagement zurück.

Immer für Übernahmegerüchte gut sind Biotechfirmen sowie die Medizinaltechnik. Sonova wird oft als Übernahmeziel gehandelt, ist mit einem Börsenwert von 10,2 Milliarden Franken nicht billig, denn auch hier ist der Aktienkurs trotz jüngster Korrektur immer noch hoch. Ebenfalls sehr häufig als Übernahmeziel wird der Entwickler für Pharmawirkstoffe Basilea gehandelt. Ein Spin-Off von Roche, ist eine mögliche Übernahme wie bei allen forschenden Biotechunternehmen quasi Teil des Geschäftsmodells.

Basilea ist immer noch in den roten Zahlen. Dabei wurde das Unternehmen vor ein, zwei Jahren noch als «das neue Actelion» gehandelt. Actelion, SMI-Mitglied und hocherfolgreicher Entwickler von Mitteln gegen Lungenhochdruck, wurde vergangenes Jahr von Johnson & Johnson gekauft. Diesbezüglich vielleicht eher ein «neues Actelion» ist der Laborautomatisierer Tecan, operativ ausgezeichnet unterwegs.

Ein jahrelang steigender Aktienkurs – innert zehn Jahren beträgt die Steigerung 340 Prozent – beschert Tecan zwar einen Börsenwert von 2,4 Milliarden Franken. Dennoch wird auch Tecan als Unternehmen beschrieben, das sich als Übernahmekandidat präsentiert, beispielsweise für Käufer aus China. Die Tecan-Grossaktionäre sind Banken, Asset Manager und Fonds, der grösste Anteilseigner ist die niederländische Finanzgruppe ING. Bei einem entsprechenden Angebot würden also nur Renditeüberlegungen über einen Verkauf entscheiden. Und nicht wie bei manchen Familienunternehmen noch ein gewisses Traditionsdenken.