Das amerikanische Pharmaunternehmen Moderna forscht seit Monaten an einem Impfstoff gegen das Coronavirus. Die Börse feierte Modernas Ankündigung, dass der Impfstoff eine hohe Wirksamkeit aufweise, Mitte November völlig zurecht. Doch dann führten auch kleine, völlig erwartbare Neuigkeiten wie der Antrag auf eine Zulassung in den USA zu neuen Kurshöhenflügen von 16 Prozent an einem einzigen Handelstag.

Die Moderna-Aktie in den vergangenen 12 Monaten (Grafik: cash.ch).

Die Moderna-Aktie hat dieses Jahr schon 700 Prozent zugelegt. Allein in den vergangenen 4 Wochen erlebte der Kurs eine Verdoppelung. Der Impfstoffentwickler Biontech, ebenfalls erfolgreich, hat im selben Zeitraum an der Börse 12 Prozent gewonnen.

Erinnerung an den «irrationalen Überschwang»

Die extremen Kursbewegungen bei sehr stark beachteten Wachstumsaktien erinnert manche an trügerische Zeiten. Ins Gedächtnis rückt beispielsweise ein Buch des Ökonomen und späteren Nobelpreisträgers Robert Shiller mit den Titel "Irrational Exuberance", das Übertreibungen am Markt thematisierte und im Jahr 2000 ziemlich genau zum Zeitpunkt erschien, als die Dotcom-Blase platzte. Mit dem "Irrationalen Überschwang", wie das Buch auf Deutsch heisst, übernahm Shiller damals eine Aussage des Fed-Chairmans Alan Greenspan, der einige Jahre davor vor den Folgen überbewerteter Märkte gewarnt hatte.

Neben Moderna fallen noch weitere Aktien auf, bei denen eine Übertreibung naheliegt. Noch fiebriger als bei der Impf-Aktie ist es zuletzt bei Nikola Motors zu- und hergegangen, dem Start-up, das mit Wasserstoffantrieben für Autos und Lastwagen gross herauskommen will, aber keinen Umsatz erzielt und Verlust schreibt.

Die Ankündigung einer Beteiligung des Auto-Riesen General Motors (GM) hatte die Aktie vor gut einer Woche vorbörslich zunächst um 25 Prozent ansteigen lassen, um dann im Handel tatsächlich 27 Prozent zu verlieren – GM entschied sich für einen Rückzieher. Auch E-Auto-Platzhirsch Tesla hat mit einer Versiebenfachung des Kurses im Jahresverlauf deutlich mehr Zuspruch an der Börse erhalten, als es der Gewinn und die Gewinnaussichten realistischerweise erlauben würden.

Die Fieberkurve steigt

Wenn die Dinge scheinbar aus dem Lot geraten, wird schnell Kritik laut. Ansätze fiebriger Entwicklungen hatte es schon im Sommer gegeben. Protagonisten waren neu am Markt tätig, oft sehr junge Anleger, die gewisse Aktien nach oben trieben. Die Fieberkurve stieg über den August und September aber auch deswegen an, weil gerade auch Retailanleger zu Call-Optionen griffen, also mit Wetten auf steigende Kurse die Märkte anheizten.

Ein berühmter Marktexperte wie der Ex-Pimco-Chef Mohamed El-Erian warnte damals vor bösen Überraschungen. El-Erian wiederholte kürzlich seine Warnung, wies dabei aber vor allem auf das Risiko von Pleiten hin: "Wer jetzt nach mehr Rendite strebt, muss ein hohes Ausfallrisiko in Form von Firmeninsolvenzen in Kauf nehmen."

Über den Einfluss von spekulationsfreudigen Kleinanlegern auf die Märkte und vor allem Einzelaktien wird immer noch debattiert. Es liegt auf der Hand, dass speziell in den USA eine Aktie wie Moderna von verschiedensten Investoren gekauft wird, jetzt, wo der Name überall genannt wird.

 

 

Im Unterschied zum vergangenen Sommer haben die Aktienmärkte insgesamt eine etwas solidere Grundlage für steigende Kurse erhalten. Es bestehen realistische Perspektiven, dass mit Impfstoffen die Pandemie 2021 gebändigt werden kann.

Es ist allerdings ein Unterschied, ob Impfstoff-News spezifisch die Moderna-Aktie anschieben, oder für eine generell gute Stimmung sorgen. Im Falle einer Einzelaktie sind die Kursbewegungen Zeichen einer Fieberstimmung. Beim Markt insgesamt werden nüchternere Betrachtungen über die nächsten Monate angestellt. 

Im Moment sind sich die Märkte auch der Unterstützung durch eine lockere Notenbank-Geldpolitik so sicher wie fast nie. Experten vermuten die starken Kursschwankungen bei Moderna, Nikola & Co eher bei den Firmen selbst.

«Markt reizt Bewertungsspanne aus»

Für Sandro Merino, Anlagechef der Basler Kantonalbank (BKB), zeigen die grossen Bewegungen die Bewertungsunsicherheit von extremen Wachstumstiteln: "Ein hohes Wachstum in einem Jahr führt zu einer Empfindlichkeit: Der Markt hat dann Mühe, eine adäquate Bewertung zu finden." In solchen Situationen sei der Mechanismus der Preisfindung überfordert. 

Eine hohe Bewertungsspanne werde vom Markt ausgereizt: "Es wird sozusagen ein grösserer Hebel in Bewegung gesetzt." Dennoch ordnet Merino solche Marktbewegungen durchaus in den Rahmen der Normalität der Märkte ein. Die Szenarien für einen Einzeltitel längen einfach in einem sehr breiten Bereich. Bei stark wachsenden Titeln sei es schlicht schwierig, Erträge und Gewinnpotential vorauszusagen.

Hohe Risiken in Einzeltiteln

Die Schwierigkeit, Wachstumsaktien mit starken Kursbewegungen einzuschätzen, zeigt sich beispielsweise auch bei Telsa. Je ein Drittel der von Finanznachrichtendienst Bloomberg erfassten Analysten empfiehlt jeweils ein Kaufen, Halten oder Verkaufen der Aktie. Bei etablierteren, sich am Markt weniger aufgeregt bewegenden Aktien ist die Stossrichtung solcher Ratings in aller Regel eindeutiger.

Die starken Kursauschläge bei Aktien wie Moderna, Nikola oder Tesla stehen zudem nicht für den ganzen Markt. Auch wenn der Dow Jones unter grossem Aufsehen kürzlich erstmals in seiner Geschichte die 30'000-Punkte-Grenze knackte – die Voraussetzungen sind heute andere als vor 20 Jahren.

Um Risiken zu minimieren, muss man auch in diesen Zeiten auf einen bewährten Rat zurückkommen. Anlegerinnen und Anlegern empfiehlt BKB-Anlagechef Merino, diversifiziert anzulegen und zu hohe Engagements in Einzeltitel zu meiden – es sei denn, man wolle bei einem einzelnen Titel wirklich das Schwankungsrisiko in Kauf nehmen. 

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