Bei den Dax-Unternehmen werden in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 und im Jahr 2026 Gewinnanstiege von 13 bis 15 Prozent erwartet, wie von Bloomberg Intelligence zusammengestellte Daten zeigen. Für die ersten sechs Monate des Jahres wird mit einem zweiprozentigen Rückgang gerechnet.
Im nächsten Jahr würde der Dax damit den von Analysten für den S&P 500 prognostizierten Anstieg des Gewinns je Aktie von 13,5 PRozent übertreffen. Das Wachstum wäre damit auch schneller als in jedem anderen europäischen Länderindex und würde den breiter gefassten europäischen Referenzindex Stoxx 600 übertreffen.
«Der deutsche Tiger erwacht», sagte Kevin Thozet, Mitglied des Anlageausschusses der Investment-Management-Boutique Carmignac, die ein Vermögen von rund 39 Milliarden Dollar (34 Milliarden Euro) verwaltet. «Ich hoffe, dass immer mehr Menschen sich der Tatsache bewusst werden, dass das durchschnittliche Gewinnwachstum deutscher Unternehmen im Jahr 2026 über dem der USA liegen dürfte.»
Der Optimismus spiegelt sich in der Aktienperformance wider. Deutsche Aktien sind zum bevorzugten Markt für Anleger geworden, die von einer wirtschaftlichen Erholung in Europa profitieren und ihre Portfolios ausserhalb der USA diversifizieren möchten. Amerikas Wirtschaft stellt die deutsche in ihrer Grösse zwar in den Schatten, Trumps Drohung mit den höchsten Zöllen seit einem Jahrhundert hat sie allerdings erschüttert. Die Sorge vor einer Stagflation nimmt zu und treibt die Anleger in günstigere internationale Märkte.
Der Dax ist in diesem Jahr um 22 Prozent gestiegen und damit so stark wie kein anderer der grossen Börsenindizes der Welt. Der Stoxx Europe 600 legte um rund 9 Prozent zu, während der S&P 500 für 2025 erst kürzlich ins Plus gedreht hat.
Der Gewinnanstieg in Deutschland wird in erster Linie von Rüstungsaktien getragen werden, da Europa massiv in die Stärkung des Militärs investiert. Rheinmetall, Airbus und MTU Aero Engines dürften im Dax in der zweiten Jahreshälfte 2025 voraussichtlich rund 20 Prozent zum Wachstum der Gewinne je Aktie beitragen.
Auch die Themen Energiewende, Elektrofahrzeuge und künstliche Intelligenz dürften für die Börsenperformance wichtige Impulse bringen, unterstützt durch steigende Investitionen in Rechenzentren, Elektrifizierung und neue KI-Anwendungen.
Der Dax könnte laut den Bloomberg-Intelligence-Strategen Kaidi Meng und Laurent Douillet auch davon profitieren, dass die Belastungen durch US-Zölle weniger stark sein werden als ursprünglich befürchtet.
Während die Autobauer Mercedes-Benz und BMW sowie der Automobilchip-Hersteller Infineon Technologies von den Autozöllen der Trump-Regierung betroffen sind, ist der Rest des Referenzindex besser geschützt. Der Softwareriese SAP und der Versicherer Allianz sind als Dienstleister von den Zöllen auf Waren ausgenommen. Und Industriekonzerne wie BASF und Siemens sind durch ihre Produktionsstätten in den USA geschützt.
Bislang sind die schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich der Zölle nicht eingetreten und die Anleger konzentrieren sich auf fiskalische Impulse. Das von Bundeskanzler Friedrich Merz initiierte milliardenschwere Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur könnte laut BI-Schätzungen das Wirtschaftswachstum im Jahr 2026 um 1,6 Prozent steigern. Dies entspricht nach Berechnungen von BI einem Anstieg des Gewinns pro Aktie um rund 6 Prozent für Dax-Unternehmen und um 12 Prozent für den MDax.
Bessere Aussichten
Deutschland sei unter der neuen Bundesregierung «ein wunderbarer Ort, um Geschäfte zu machen», sagte Jim Zelter, Präsident von Apollo Global Management. «Dies ist eine 4-Billionen-Dollar-Wirtschaft, deren Ziel es ist, in den nächsten 10 bis 12 Jahren eine 6-Billionen-Dollar-Wirtschaft zu werden», sagte Zelter im Interview mit Bloomberg TV. «Wir sind bereit, über 100 Milliarden Dollar aus unseren Finanzierungsinstrumenten zu investieren.»
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein Steuerpaket zur Entlastung der Wirtschaft in Höhe von schätzungsweise 46 Milliarden Euro verabschiedet. Es ist Teil einer umfassenderen Initiative zur Wiederbelebung der Wirtschaft, die 2025 voraussichtlich das dritte Jahr in Folge stagnieren wird. Diese Massnahmen folgen auf die Entscheidung der Regierung, einen Infrastrukturfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro einzurichten und die Schuldenbremse zu reformieren, um höhere Verteidigungsausgaben zu ermöglichen. Deutsche Aktien profitieren ausserdem von den im Vergleich zu ihren US-Pendants niedrigeren Zinsen.
«Deutschland gewinnt strategisch an Bedeutung, da Investoren angesichts der politischen und fiskalischen Risiken in den USA nach Diversifizierungsmöglichkeiten suchen – unterstützt durch wachstumsfördernde Reformen und die Stärke der Industrie», sagte Charu Chanana, Chief Investment Strategist bei Saxo. «Deutschland reitet nicht nur auf einer Marktwelle, sondern steht vor einer potenziellen politischen Renaissance.»
Obwohl die Prognose vom Rüstungssektor getragene Outperformance deutscher Blue-Chip-Werte solide erscheint, sollten die potenziellen indirekten Auswirkungen der Handelsspannungen nicht ausser Acht gelassen werden.
«Da 3 Prozent der Index-Umsätze aus den USA stammen, ist der Dax nicht immun gegen das Risiko von Sekundäreffekten, falls die Stagflation in den USA zu einer geringeren Nachfrage und höheren Kosten in der Region führt», sagten Meng und Douillet von BI.
Dies könnte dazu führen, dass Anleger optimistischer gegenüber den Aktien der deutschen Unternehmen sind, deren Geschäft sich auf den Heimatmarkt konzentriert und die am meisten von den fiskalischen Impulsen profitieren dürften. Sie sind weniger anfällig für Zölle.
Der MDax erscheint besonders attraktiv, da er gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis fast ohne Prämie zum Dax gehandelt wird — verglichen mit einem historischen Durchschnittsaufschlag von 30 Prozent. Auch absolut gesehen sind die Bewertungen nicht hoch und liegen nahe dem historischen Durchschnitt, insbesondere angesichts der für 2026 prognostizierten zweistelligen Wachstumsrate beim Gewinn je Aktie.
«Die langfristigen Aussichten für den deutschen Binnenmarkt hellen sich auf, da eine wachstumsfördernde Politik und fiskalische Staatsausgaben die Investitionen ankurbeln dürften», so die Barclays-Strategen unter der Leitung von Emmanuel Cau. Sein Team stuft deutsche Binnenaktien und den MDax mit «Übergewichten» ein.
(Bloomberg)