Der Swiss Market Index (SMI) hat die seit dem «Liberation Day» eingetretenen Kursverluste egalisiert und notiert nun auf dem höchsten Stand seit den ominösen US-Zollankündigungen am 4. April 2025. Seit Jahresbeginn haben SMI und SPI wider Erwarten einen überdurchschnittlichen Gesamtertrag - sprich Kursgewinne inklusive Dividenden - von je 15,4 Prozent erzielt.
Innerhalb des SMI ist ABB - der Valor erreichte am Mittwoch erneut ein neues Allzeithoch - auf dem dritten Platz in der Kursrangliste. Seit dem «Liberation Day» ging es mit dem Kurs um 37 Prozent hoch. Der Konzern profitiert weiterhin von Infrastrukturprojekten bei der Elektrifizierung, dem Bau von Datenzentren und auch dem nun vollzogenen Verkauf der Robotik-Sparte an Softbank.
Gewinner und Verlierer im SMI seit dem «Liberation Day.».
Den grössten Kurszuwachs im SMI seit dem «Liberation Day» verzeichnete indes Logitech mit einem Plus von 44 Prozent, gefolgt von Holcim mit 37 Prozent. Während bei Holcim das Spin-Off von Amrize der Auslöser war, sind die Kursgewinne von Logitech auf den ersten Blick erstaunlich. Anfang April wurde befürchtet, der Computerzubehörhersteller könnte stark unter den US-Zöllen leiden. Der Aktienkurs sackte entsprechend auf 55 Franken ab und die Firma strich die Jahresziele zusammen.
Davon nicht beirren liess sich der UBS-Experte Joern Iffert. In der ersten Mai-Woche erhöhte er das Rating auf «Buy» von «Neutral» bei einem neuen Kursziel von 80 Franken. Er begründet die Hochstufung mit der bereits eingepreisten Unsicherheit rund um die Zölle und die konjunkturelle Abschwächung. Generation Alpha «game» mehr als jede Generation zuvor. Dies sei ein langfristiger Rückenwind für Logitech, so die Argumentation des UBS-Experten.
Seither doppelte der Analyst in zwei Kundennotizen nach. Zuerst erhöhte er das Kursziel auf 91 Franken, ehe er dieses am 17. September noch einmal auf 101 Franken anhob. Das ergibt gegenüber dem Kurs vom Mittwoch ein weiteres Kurspotenzial von 12 Prozent.
Trotz schwachem Konsumumfeld bleibe die Nachfrage bei PC-Peripheriegeräten und dem Gaming-Bereich stabil. Zudem habe das Unternehmen in China deutliche Fortschritte gemacht, führt Iffert von der UBS weiter aus. Anlegerinnen und Anleger, welche noch nicht engagiert sind, können Kursrückschläge selektive zu Neuengagements in dieser Wachstumsperle nutzen. Zur Erinnerung: In den letzten zehn Jahren hat sich der Wert von Logitech versechsfacht.
Bei den Aktien im SMI, welche seit dem «Liberation Day» Kursverluste hinnehmen mussten, fallen Alcon auf. Der Augenmittelhersteller (-22 Prozent) hat beim Halbjahresresultat die Erwartungen der Analysten deutlich verfehlt. Die bis Ende September noch im SMI enthaltenen Kühne+Nagel (-18 Prozent) kämpfen in einem schwierigen Transportumfeld mit sinkenden Margen und rückläufigen Dividendenausschüttungen. Bei Nestlé (-17 Prozent) sind es primär hausgemachte Probleme, welche den Aktienkurs belasten.
Turnaround-Kandidaten Nestlé und Sika
John Cox, Analyst bei der Pariser Research-Boutique Kepler Cheuvreux, hält trotz Kursverlusten seit einer gefühlten Ewigkeit von vier Jahren an seiner Kaufempfehlung für die Valoren des Westschweizer Nahrungsmittelkonzerns fest. Das Buy-Rating half wenig, eine Kurszielreduktion folgte auf die nächste. Die letzte datierte vom 24. September, als er das Kursziel auf 90 von 95 Franken zurücknahm.
Experte Cox verwies auf schwächere Multiplikatoren im Lebensmittelsektor, die der Anpassung zugrunde liegen. Der kürzlich angestossene Führungswechsel mit dem neuen CEO Philipp Navratil und dem designierten Vorsitzenden des Verwaltungsrats, Pablo Isla, könnte laut Einschätzung des Experten nun zu einer grösseren Dringlichkeit bei der Umsetzung des laufenden Transformationsprogramms führen.
So erwartet der Analyst von Kepler Cheuvreux eine Vertiefung des Kosteneinsparungsplans, schnellere Desinvestitionen in schwächeren Geschäftsbereichen und eine stärkere Nutzung der Kompetenz in Forschung und Entwicklung. Zwar bleibt die bisherige strategische Ausrichtung laut dem Analysten bestehen, dennoch könnten bei ausbleibendem Erfolg strukturelle Veränderungen und eine mögliche Aufspaltung stärker in den Fokus rücken. Das Aufwärtspotenzial sieht Cox jedoch überwiegen, gestützt durch führende Marktpositionen von Nestlé in Bereichen wie Kaffee, Tiernahrung und Ernährung.
Der Rückenwind bei den Nestlé-Valoren über die letzten zwei Wochen scheinen dem Analysten vorerst Recht zu geben. Zudem scheint die Aktie des Nahrungsmittelmultis aus technischer Sicht interessant. Grosse Verkaufsblöcke wurde in den letzten zwei Monaten im Vergleich zur Vergangenheit nicht mehr gesichtet, der Aktienkurs scheint einen Boden gefunden zu haben zwischen 71 und 77 Franken. Am Mittwoch notieren Nestlé bei knapp 75 Franken.
Bei Sika fällt auf, dass es mit den Kursen fast nur abwärts geht seit der Übernahme der im Bereich Bausysteme und Zusatzmittel tätigen MBCC Gruppe mit Sitz im deutschen Mannheim. Seit Abschluss der Transaktion im Mai 2023 resultierte ein Minus von 27 Prozent. Am Mittwoch gaben die Aktien weitere 4 Prozent auf 172 Franken nach, dem tiefsten Stand seit Juni 2020.
Trotz 16 Analysten-Empfehlungen «Kaufen», welchen drei «Halten» und zwei «Verkaufen» gegenüberstehen, bleibt von Anlegern Geduld gefragt. Die Aktie ist selbst auf diesem tiefen Niveau mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 19 hoch bewertet. Zum Vergleich: Das KGV im Branchendurchschnitt liegt bei 14. Das Wachstumspotenzial ist nach Meinung der Analysten allerdings gegeben, das durchschnittliche Kursziel beläuft sich gemäss AWP-Analyser auf 251 Franken. Das entspricht einem Aufwärtspotenzial von satten 40 Prozent.
Breiter Markt ebenfalls mit Kursgewinnen
Der Swiss Performance Index (SPI) kann trotz Zoll-Delle wie der SMI auf ein bisher erfolgreiches 2025 zurückblicken. Die positive Tendenz bestätigte sich diese Woche unter anderem mit neuen Allzeithochs bei Compagnie Financiere Tradition (CFT), Investis, Jungfraubahnen oder Walliser Kantonalbank. Auf einem 52-Wochen-Hoch stehen die Basler und Berner Kantonalbank, Cicor, EFG, Idorsia, Implenia, Mikron, Newron, Orell Füssli und Cosmo.
Gewinner und Verlierer im SPI seit dem «Liberation Day.».
Neben dem Umstand, dass die Large Caps dem SPI eine wichtige Stütze sind, fallen seit dem Stichtag am 3. April einige Unternehmen positiv auf, die in den letzten Jahren hauptsächlich Kursverluste auswiesen. Idorsia führt mit einem Kursgewinn von 321 Prozent die Liste an, nachdem das Unternehmen in den letzten zwölf Monaten erfolgreich die Kosten heruntergefahren, die Wandelanleihen restrukturiert hat und erste Verkaufserfolge mit dem Schlafmittel Quviviq feiern konnte. Zu den Gewinnern gehören auch die «gebeutelten» Newron, GAM oder AMS Osram.
Auf den hinteren Rängen finden sich die dekotierten Valoren von Meyer Burger. Mit deutlichen Kursrückgängen warten auch Orior, Rieter, Arbonia und SIG Group auf. Wie Nestlé könnte SIG von einem neuen CEO profitieren - mehr dazu hier. Das gilt auch für GAM, deren Titel bereits zu einer Kursrally angesetzt haben.
Bei Arbonia lastet die schwache Baukonjunktur auf dem Kurs. Die deutliche Abkühlung der Baukonjunktur in Kernmärkten wie Deutschland, ausgelöst durch gestiegene Zinsen und Baukosten, hat zu einem Rückgang der Nachfrage und der Verkaufsvolumen geführt. Immerhin konnte sich die Aktionäre nach dem Verkauf der Klimasparte über eine ausserordentliche Gesamtausschüttung von 5.83 Franken pro Aktie freuen. Für neuen Rückenwind könnte die deutschen Infrastruktur-Investitionen in 2026 sorgen.
Festzustellen bleibt, dass die grosskapitalisierten Firmen im SMI von den Zöllen wenig bis gar nicht betroffen sind - die beiden Pharmariesen Novartis und Roche aussen vorgelassen. Im breiter gefassten SPI konnte ein Grossteil der Firmen mit vorgezogenen Lieferungen die Auswirkungen im ersten Halbjahr umschifft haben. Die negative Auswirkungen dürften sich bei den Small und Mid Caps erst gegen Ende Jahr abzeichnen, sofern keine Lösung im Zollstreit gefunden wird. Gemäss US-Administration soll bis Ende Oktober weiterverhandelt werden.