In Europa und den USA bekämpfen die Zentralbanken mit Leitzinserhöhungen ein Inflationsniveau, das zuletzt vor 40 Jahren in diesem Ausmass beobachtet wurde. Es ist zunehmend wahrscheinlich, dass die US-Notenbank Fed auch auf ihrer nächsten Zinssitzung den Leitzins nochmals um 0,75 Punkte anhebt. Dabei nehmen die Notenbanker eine wirtschaftliche Abkühlung in Kauf. In diesem Marktumfeld hat der breite S&P 500 seit Jahresbeginn 18 Prozent verloren, der Stoxx Europe 600 steht 15 Prozent tiefer und selbst der defensiv ausgerichtete Swiss Market Index (SMI) weist ein Kursminus von 16 Prozent aus.

Ein Marktsegment zeigt aber eine deutlich bessere Kursentwicklung. Der Stoxx Global Select Dividend 100 Index hat seit Jahresbeginn nur knapp 7 Prozent verloren. Deser umfasst die Aktienwerte von 100 Grossunternehmen aus dem Index Stoxx Global 1800 mit der höchsten Dividendenrendite in Nord- und Südamerika sowie in Asien und Europa. Der Index enthält zudem ausschliesslich Unternehmen, deren Dividende in den vergangenen fünf Jahren nicht gesunken ist. Betrachtet man allein die Gesamtrendite des Index, minimiert sich das diesjährige Kursminus auf 3,5 Prozent.

Dividenden-Aktien sind in einem volatilen Marktumfeld eine Möglichkeit, passives Einkommen zu erzielen und das Portfolio gegen unten abzusichern. Oftmals ist es so, dass dividendenstarke Unternehmen auch eine solide Bilanz mit vergleichsweise hohen Eigenkapitalquoten, einer niedrigen Verschuldung und einer guten Cash-Position aufweisen. 

Tiefe Bewertung bei hoher Dividendenrendite

Neben der Ausschüttungsrendite von 7,1 Prozent ist auch die Bewertung des Stoxx Global Dividend 100 Index, in dem mit Holcim und Zurich Insurance auch zwei Schweizer Titel vertreten sind, interessant: Dessen Aktien weisen im Schnitt ein tiefes Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 7 auf. Das KGV für den S&P 500 beläuft sich auf 20, dasjenige für den Stoxx Europe 600 und den SMI auf 15. 

Unter den 100 Aktien, die im Index enthalten sind, hat die australische Fortescue Metals Group mit 16,6 Prozent die höchste Dividendenrendite - in den fünf letzten Jahren hat das Unternehmen die Ausschüttungen um 56 Prozent gesteigert. Das auf den Abbau und die Produktion von Eisenerz spezialisierte Bergwerksunternehmen - das viertgrösste seiner Art weltweit - hat ein KGV von 5. Die Aktie hat im bisherigen Jahr 6,9 Prozent an Wert eingebüsst, da sich der Preis von Eisenerz seit Juni 2021 mehrheitlich nach unten orientiert hat.

Mit einem Kursplus von 38,7 Prozent führt der US-Erdgasproduzent Coterra Energy den Index an. Das Unternehmen profitiert vom in Folge des Ukraine-Kriegs gestiegenen Preis für den Energieträger - und die drohende Gas-Knappheit in Europa spricht dafür, dass Erdgas auch mittelfristig teuer sein wird. Die von Bloomberg befragten Analysten sehen im Durchschnitt ein weiteres Aufwärtspotenzial von 44 Prozent und die Bewertung ist mit einem KGV von 10 immer noch günstig. Die Dividendenrendite beträgt aber nur 2,3 Prozent, was die Aktie aus diesem Blickwinkel weniger interessant macht.

Das grösste Aufwärtspotenzial sehen die Analysten indes mit 90 Prozent beim deutschen Immobilienkonzern TAG Immobilien. Bei steigenden Zinsen ist dies aber eine heisse Wette, hat die Aktie dieses Jahr doch bereits 52 Prozent an Wert verloren. Diesbezüglich hat der französische Öl- und Chemielogistiker Rubis wohl mehr Potenzial - laut Analysten im Schnitt 71 Prozent. Dessen Aktien haben dieses Jahr 15 Prozent verloren, was sich aber mit einer Dividendenrendite von 8,3 Prozent relativiert.

Logistik- und Rohstoffunternehmen mit hohen Ausschüttungen

Während Fortescue Metals Group, Coterra Energy und Rubis wohl nur branchenkundigen Anlegerinnen und Anlegern ein Begriff sind, sind folgende zehn Unternehmen wohl besser bekannt. Diese mehrheitlich europäischen Titel sind anhand einer aufsteigenden Dividendenrendite aufgelistet:

UnternehmenSektorPerformance 2022Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)Dividendenrendite
A. P. Moller-MaerskLogistik-24,9 Prozent214,2 Prozent
Crédit AgricoleBanken-26,1 Prozent511,4 Prozent
Rio TintoBergbau+4,9 Prozent511,3 Prozent
CovestroChemie-36,2 Prozent49,8 Prozent
BMW (Vorzugsaktie)Autobauer-3,0 Prozent28,2 Prozent
Mercedes-BenzAutobauer-11,0 Prozent67,2 Prozent
OrangeTelekommunikation+18,2 Prozent1276,3 Prozent
AllianzVersicherungen-12,8 Prozent166,0 Prozent
AmgenBiotechnologie+9,1 Prozent243,2 Prozent
HPTechnologie-6,5 Prozent62,8 Prozent

Daten Bloomberg.

A. P. Moller-Maersk, die grösste Containerschiffsreederei der Welt, nimmt mit einer Dividendenrendite von 14,2 den zweiten Platz im Stoxx Global Dividend 100 Index ein. Das KGV ist auch wegen der diesjährigen Kurskorrektur von knapp 25 Prozent auf einen Wert von 2 zusammengeschrumpft. Der Baltic Dry Index, ein wichtiger Preisindex für verschiffte Hauptfrachtgüter auf Standardrouten, ist seit Mitte Mai deutlich zurückgekommen und hat die Aktie belastet - was aber auch einen interessanten Einstiegspunkt darstellen könnte.

Dem konjunkturellen Gegenwind getrotzt haben hingegen die Aktien des japanischen Reeder Mitsui OSK Lines. Die Titel gewinnen seit Jahresbeginn 5 Prozent, die Dividendenrendite beläuft sich auf 11,0 Prozent. Dieses positive Bild relativiert sich aber, wenn man die Währungsentwicklung hinzuzieht. Der japanische Yen hat sich gegenüber dem Franken seit Jahresbeginn um 11 Prozent abgewertet, was die Gesamtrendite deutlich schmälert. Mit der von der Schweizerischen Nationalbank mit ihrer überraschenden Leitzinserhöhung zusätzlich befeuerten Frankenstärke wird das Währungsrisiko für Anlegerinnen und Anleger wieder aktueller.

In dieser Hinsicht ist der an der Londoner Börse kotierte Bergbaukonzern Rio Tinto mit einer Dividendenrendite von 11,3 Prozent interessanter. Dieser beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Abbau und der Produktion von Industriemetallen (Eisenerz, Aluminium, Kupfer). Zwar befinden sich die Preise der Industriemetalle wegen der konjunkturellen Eintrübung im Rückwärtsgang, trotzdem sehen die von Bloomberg befragten Analysten im Durchschnitt ein Aufwärtspotenzial von 19 Prozent. Gründe für diese positive Sicht sind sicherlich auch die hohe operative Marge von 47 Prozent und die Eigenkapitalrendite von 43 Prozent.

Telekommunikation und Gesundheit für die Defensive

Eine Branche, die angesichts der wirtschaftlichen Abkühlung weltweit überdurchschnittlich gut abschneidet, ist die Telekommunikation. Dies beweist hierzulande Swisscom mit einem diesjährigen Kursgewinn, aber eben auch der französische Konzern Orange. Trotz eines Kursplus von 18,2 Prozent hat die Aktie gemäss Analysten noch Raum nach oben - im Durchschnitt 14 Prozent. Das KGV liegt bei hohen 127, da darin ein grosser Abschreiber von 3,7 Milliarden Euro enthalten ist. Die vorwärtsgerichtete Kennziffer hat hingegen einen Wert von 9.

Aktien aus der Gesundheitsbranche haben in Bärenmärkten immer wieder eine bessere Performance hingelegt als der Gesamtmarkt. Im Index enthalten sind beispielsweise AmgenPfizer oder Gilead. Der US-Biotechnologiekonzern Amgen beweist seine defensiven Qualitäten, indem er an der Börse seit Jahresbeginn 9,1 Prozent zugelegt hat. Amgen ist einer der wenigen Biotech-Pioniere, der es in die Oberliga der Pharma-Konzerne geschafft hat. Der Bedarf an neuen Medikationen ist hoch und wird hoch bleiben. Der Umsatz wird laut Analysten dieses Jahr auf 26,2 Milliarden Dollar anwachsen - insbesondere das Osteoporose-Medikament Prolia und der Cholesterinsenker Repatha sorgen für Wachstum. 

Für einen Technologiewert hat HP mit einem Kursminus von 6,5 Prozent seit Anfang Januar überdurchschnittlich abgeschnitten. Der PC- und Printerhersteller wächst beständig, aber langsam, was keine Kursfantasie bietet. Die Robustheit der Aktie rührt daher, dass HP in den letzten zweieinhalb Jahren einen Grossteil des freien Cashflows an die Aktionäre ausgeschüttet hat. Alternativ bietet sich auch der Dividendenaristokrat IBM an, der dieses Jahr 6,3 Prozent höher steht und mit 4,7 Prozent auch eine grössere Dividendenrendite bietet (cash.ch hat hier über die US-Dividendenaristokraten berichtet).

BMW mit fast «irrwitzig» tiefer Bewertung

Unter den Autobauern ist BMW im Vorteil. Die Vorzugsaktien des Münchner Konzerns verlieren seit Jahresbeginn nur 3 Prozent, wo hingegen die Dividendenrendite bei 8,2 Prozent zu liegen kommt. BMW konnte zuletzt mit hohen Absatzzahlen und einer hohen Profitabilität von 12 Prozent überzeugen und ist mit einem KGV von 2 beinahe schon irrwitzig tief bewertet. Die hohe Profitabilität und die Eigenkapitalrendite von 26 Prozent sind nicht nur auf die hohen Preise, sondern auch auf die fortlaufenden Sparmassnahmen zurückzuführen. Gerade die duale Strategie von BMW, auf Elektrofahrzeuge und Autos mit Verbrennungsmotor zu setzen, sorgt für Stabilität im Geschäftsverlauf.

Für Anlegerinnen und Anleger, die das Risiko von Einzelaktien nicht eingehen wollen, steht auch ein ETF (Exchange Traded Fund) zur Verfügung. Der "iShares STOXX Global Select Dividend 100 UCITS ETF" hat eine Gesamtkostenquote von 0,46 Prozent und schüttet die Dividenden im Januar, April, Juli und Oktober aus. Die auf Vergangenheitswerten beruhende Dividendenrendite liegt bei 4,0 Prozent, wohingegen die angekündigten Ausschüttungen auf eine zukünftige Rendite von 8,3 Prozent hindeuten. Mit einem Fondsvermögen von 1,9 Milliarden Euro gilt der ETF als liquide.

ManuelBoeck
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