Nach einer kurzweiligen Erholung in den Sommermonaten sind die globalen Aktienmärkte wieder unter Druck. Die Notenbanken heben die Zinsen im Kampf gegen die hohe Inflation weiter an und setzen die Märkte damit unter Druck - die EZB erhöhte erst am Donnerstag die Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte.

Eine Umfrage von cash.ch bei fünf Fondsmanagern zeigt: Auch in der aktuellen Marktlage wird zugekauft, meist bei Schweizer Nebenwerten, die stark korrigiert haben. Denn der Schweizer Markt zählt bei den so genannten Small und Mid Caps viele qualitativ gute Unternehmen. Dazu zählen Industriegruppen, Technologieentwickler oder hochspezialisierte Zulieferer grosser Konzerne. Verkauft haben die befragten Fondsmanager hingegen nur wenige Positionen.

Beim Marktausblick sind sich die Marktexperten nur dahingehend einig, dass die Volatilität an den Aktienmärkten in den nächsten Monaten hoch bleiben wird. Bei der Prognose betreffend der Inflation, Zinsen und Konjunktur gehen die Meinungen deutlich auseinander. 

Marc Possa, VV Vermögensverwaltung "SaraSelect":

"Im Moment sind wir im perfekten Sturm, viel schlimmer als heute kann es fast nicht mehr werden," ordnet Marc Possa die aktuelle Marktlage ein. Dabei vergesse man die mittel- bis langfristigen Trends beinahe. So sei es für Schweizer Anleger wichtig zu verstehen, dass der Euro sowie der Dollar strukturell schwache Währungen seien. Der Franken werde daher stark bleiben und die Schweiz als Anlageland an Attraktivität weiter gewinnen.

Possa geht davon aus, dass es weitere Stresstests im System geben und es daher volatil bleiben wird. Die Inflationsraten würden jedoch stark zurückkommen und sich über den historisch tiefen Niveaus einpendeln. "Die Zinsen werden politisch motiviert nicht gross weiter steigen, da zu viele Staaten zu stark verschuldet sind und viel höhere Zinsen nicht vertragen würden." Das Wirtschaftswachstum bei stark ausgebremsten Industrien sollte zudem gewisse Nachholeffekte aufweisen, sobald sich die Wertschöpfungsketten endlich entschlackt haben, ist der Fondsmanager überzeugt. 

Aufgestockt hat Possa in den letzten Wochen vor allem bei AMS Osram, Burkhalter, Ems-Chemie, Gurit, Huber+Suhner und VAT. Verkauft wurde hingegen die grosse Vifor-Position, weil diese von der australischen CLS übernommen wurde. "Die Aufstockungen in den Überzeugungspositionen sind alle aufgrund der Übertreibungen an den Börsen passiert und weil ich noch über einen beträchtlichen Cash-Betrag verfüge, welchen ich über die nächsten Monate investieren werde", sagt Possa gegenüber cash.ch.

Dem Grundsatz der Mindestdiversifizierung zum trotz betrachtet Possa heute Bachem als Nummer Eins im Fonds-Portfolio. Die Positionierung der Firma und die strategische Ausrichtung seien sehr zukunftsweisend. "Die alternde Menschheit braucht immer bessere Wirkstoffe und Bachem ist der klare Marktführer im Bereich der peptidischen Wirkstoffe und auch immer stärker im Bereich der Oligonukleotide, welche auch eine neue Art Wirkstoffe darstellt", begründet Possa seine Haltung. Der Preisrückgang von über 50 Prozent sei übertrieben und es eröffneten sich damit klare Kaufgelegenheiten. "Das 15-prozentige jährliche Wachstum über die nächsten 5 Jahre wird ein guter Treiber einer guten Aktienperformance sein."

Adrian Wildhaber, Co-Fondsmanager "Baumann Aktien Schweiz Small & Mid Caps": 

Adrian Wildhaber von der Privatbank Baumann & Cie geht von einem weiter steigenden Zinsumfeld, einer hartnäckigen Inflation sowie einer abnehmenden Konjunkturdynamik aus. "Dies sind nicht gerade die besten Vorzeichen, weshalb wir mit einer weiterhin erhöhten Nervosität an den Finanzmärkten rechnen", sagt der Fondsmanager gegenüber cash.ch.

Zugekauft hat der Fonds jüngst trotzdem bei Straumann und Barry Callebaut. "Der Dentalimplantatehersteller Straumann profitiert dank strukturellem Nachfragewachstum seiner Produkte von unverändert guten Aussichten bei mittlerweile moderater Bewertung," erklärt Wildhaber. Bei Barry Callebaut gefalle das defensive Geschäftsmodell. Der Schokoladenproduzent könne steigende Inputkosten wie Rohstoffpreise sehr zeitnah an die Kunden weitergeben. Weiter sei die Bewertung im historischen Vergleich attraktiv. Nach einer fulminanten Erholung seit den Jahrestiefständen Mitte Juni hat der Fonds jedoch bei den Valoren von SIG Group und BKW die Positionen verkleinert.

Der Favorit im Portfolio ist für Wildhaber der Pharmazulieferer Siegfried, der mit über 5 Prozent die grösste Position einnimmt. So dürfte die demographische Entwicklung zu einer weiterhin guten oder gar steigenden Nachfrage nach pharmazeutischen Produkten führen. Gleichzeitig sei es für Pharmaunternehmen oft wirtschaftlich uninteressant, die Wirkstoffe und Abfüllungen selbst herzustellen, da dies mit erhöhten Investitionen verbunden wäre. "Siegfried verfügt im Vergleich zu anderen Pharmazulieferern über eine attraktive Bewertung," fügt der Fondsmanager an. Die starken Halbjahreszahlen und die Erhöhung der Guidance habe zudem seine Überzeugung in Siegfried bestärkt.

Patrik Jäger, "IFS Swiss Small & Mid Cap Equity Fund":

Patrik Jäger von der Vermögensverwaltungsboutique IFS stellt fest, dass sich die durch die Pandemie ausgelösten Dislokationen nun Stück für Stück normalisieren. Die Seefrachtraten sinken und der Ölpreis ist von den Höchstständen zurückgekommen. In den USA dürfte zudem wohl eine moderate konjunkturelle Abschwächung ausreichen, um die Inflation wieder ins Lot zu bringen. In Europa sehe das Bild aber düsterer aus. Die Explosion der Energiepreise werde in den kommenden Monaten weitere Preiserhöhungen auf breiter Front auslösen. 

Die nächsten Monate dürften für die Aktienmärkte schwierig bleiben. "Es ist jedoch nicht ratsam, mit Aktienkäufen zu warten, bis der Sturm vorüber ist. 1982 legte der S&P 500 in zwei Monaten um 40 Prozent zu, sobald sich abzeichnete, dass die Inflation wieder unter Kontrolle war'', beurteilt Jäger die Marktlage. Es sei daher durchaus sinnvoll, die Rückschläge der nächsten Monate für Zukäufe zu nutzen. Insbesondere, da unterliegend immer noch starke deflationäre Kräfte wie die Alterung der Bevölkerung am Werk seien. 

Jäger hat mit seinem Fonds jüngst bei Zehnder zugekauft. Der Trend hin zum energetischen Bauen gehe einher mit dem Bedarf an aktiver Wohnraumlüftung. Hier sei der Bauausrüster optimal positioniert. "Die Bilanz der Firma ist sehr solide, womit die aktuelle Krise problemlos gemeistert werden kann", fügt Jäger an. Selbst unter den Annahmen, dass die Gewinne in den nächsten Quartalen etwas leiden, sei die Aktie inzwischen sehr günstig bewertet.

Trotz temporärer Abschwächung sieht Jäger im Halbleiterbereich nach wie vor grosse Chancen für Investoren. Zum Beispiel werden autonom fahrende Autos bis zu zehnmal mehr Mikrochip-Inhalte benötigen als herkömmliche Autos. "Zusammen mit den anderen Treibern wie dem Internet der Dinge oder künstlicher Intelligenz wird die Nachfrage nach Halbleitern mittelfristig ungebremst steigen", ist Jäger überzeugt. Mit einem Anlagehorizont von 3-5 Jahren prognostiziert der Fondsmanager für den Zulieferer Comet deshalb sehr gutes Kurspotenzial.

Martin Lehmann, 3V Invest "Swiss Small + Mid Cap Fonds":

Die Inflationsbekämpfung und die daraus resultierenden Zinserhöhungen sind für Lehmann das dominierende Thema an den Märkten. Nach der geringer als erwarteten Zunahme des US-Konsumentenindex schöpften Investoren Hoffnung, dass der Höhepunkt der Inflation überschritten sein könnte und somit der Zinserhöhungszyklus bald zu Ende sein wird. "Anlässlich des jährlichen Notenbankertreffens in Jackson Hole Ende August erteilte Fed-Chef Jerome Powell in seiner Rede diesem Szenario eine Absage, in dem er ein entschlossenes Vorgehen der US-Notenbank gegen die hohe Teuerung ankündigte", sagt der Fondsmanager auf Anfrage von cash.ch.

Der Fonds hat in den vergangenen Wochen trotzdem bei Implenia zugekauft. Das erste Halbjahr verlief sehr erfreulich für den Baukonzern und führte zu einer positiven Gewinnwarnung. Auch die Eigenkapitalquote von rund 16 Prozent per Mitte Jahr habe sich gut entwickelt und die Sorge vor einer Kapitalerhöhung genommen. "Die Bewertung ist nach wie vor tief und widerspiegelt primär die durchzogene Leistung aus der Vergangenheit, worin wir ein Rerating-Potenzial sehen", fügt Lehmann an. 

Doch auch Siegfried und Arzyta waren beim Fonds auf der Kaufliste: Siegfried sei der am attraktivsten bewertete Schweizer Pharmazulieferer und konnte mit dem Halbjahresabschluss überzeugen. Beim Backwaren-Konzern Aryzta wiederum steige das Vertrauen in das neue Management-Team weiter. "Es ist grosses Potenzial in der Aktie vorhanden, wenn die Mittelfrist-Ziele erreicht werden. Zudem wird die Dividendenfähigkeit in Aussicht gestellt", sagt der Fondsmanager.

Marc Strub, Leiter Portfolio Management Reichmuth & Co:

Für Marc Strub von der Privatbank Reichmuth & Co hinterlassen die hohe Inflation und die restriktive Geldpolitik deutliche konjunkturelle Bremsspuren. Die USA seien aber angesichts ihrer Energieunabhängigkeit in einer besseren Position als Europa. Obwohl die Inflationsraten in den kommenden Monaten wahrscheinlich ihren Höhepunkt erreichen würden, warnt Strub: "Die Finanzmärkte unterschätzen das anhaltende Inflationsrisiko. Wenn eine Lohn-/Preisspirale Tatsache wird, sind oft härterer Massnahmen der Zentralbanken notwendig."

Die Fondsmanager von Reichmuth haben zuletzt bei Richemont, Lonza, Sika, Alcon, Dätwyler und Interroll zugekauft. Bei Richemont bestehe ein grosser Bewertungsabschlag gegenüber anderen Luxuskonzernen. Bei Lonza seien die Wachstumsaussichten immer noch intakt. Sika wiederum verfüge über ein robustes Businessmodell. Bei BKW und Galenica wurden hingegen Verkäufe getätigt.
 
Für Fondsmanager Philipp Murer ist Interroll die Nummer 1 im Fondsportfolio für Schweizer Nebenwerte. Der Logistiklösungsanbieter sei sehr gut positioniert in einem strukturellen Wachstumsmarkt und gut geführt. Nach der jüngsten Korrektur ergebe sich eine langfristige Einstiegschance. Für das grösser kapitalisierte Segment sehen die Fondsmanager von Reichmuth die beiden Wachstumsunternehmen Lonza und Sika in der Favoritenrolle. Diese Unternehmen seien qualitativ hochstehend und hätten zu stark korrigiert.

 

 

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