Die Schweizer Börse, gemessen am Swiss Performance Index (SPI), liegt nach einem turbulenten ersten Halbjahr auf Jahressicht mit über 6 Prozent im Plus. Das sind rund 4 Prozent unter dem Allzeithoch vom März. Seit Mai fehlt dem Börsenbarometer die Kraft für grössere Kursveränderungen - der SPI bewegt sich in einer Bandbreite von etwa 3 Prozent.

Was für den Index gilt, trifft nicht zwingend für Einzeltitel zu. Anleger auf der Suche nach Aktien mit hohen Kursschwankungen könnten bei Titeln mit den höchsten und niedrigsten Kurszielen fündig werden.

Höchstes Kurspotenzial aus unterschiedlichen Gründen

Laut Marktkonsens haben die Papiere von Basilea das grösste Gewinnpotenzial der über 200 SPI-Aktien, wie eine cash-Analyse anhand von Daten des Providers LSGE ergibt. Analysten beziffern den möglichen Kursanstieg innerhalb der kommenden zwölf Monate bei knapp 83 Prozent.

Die Titel von DocMorris und SIG Group werden 76 respektive 39 Prozent höher gesehen. Bei Barry Callebaut und Clariant wiederum liegt das Aufwärtspotenzial bei 37 und 36 Prozent.

Titel Kurs Kurspotenzial Rating*
Basilea 48,2 83% Kaufen
DocMorris 7,005 76% Halten
SIG Group 14,99 39% Kaufen
Barry Callebaut 837 37% Kaufen
Clariant 8,7 36% Kaufen

Quelle: LSEG. *entspricht der Mehrheit der Analystenempfehlungen.

Bis auf DocMorris empfehlen Experten alle diese Titel zum Kauf. Bei DocMorris überwiegt aufgrund enormer Unsicherheiten die Vorsicht - die Empfehlung lautet «Halten». Die Onlineapotheke kämpft mit sinkenden Margen, einer verschlechterten Ertragslage und hat im Juni eine Kapitalerhöhung durchgeführt. Analysten sahen diesen Schritt als eine der Grundvoraussetzungen zur Fortführung der Geschäftstätigkeit. Die DocMorris-Aktien haben seit einem Zwischenhoch vor 15 Monaten gut 80 Prozent verloren.

Das hohe Kurspotenzial ist daher wohl eher auf die erheblichen Kursverluste als auf gute Aussichten zurückzuführen. Seit April 2024 hinken die Analysten dem Kursniedergang hinterher. Inwiefern ein Kursanstieg von 76 Prozent möglich ist, bleibt bei dieser Unsicherheit offen - das Halten-Rating unterstreicht dies.

Historisch niedrige Bewertungen

Kursverluste dürften auch für das Gewinnpotenzial bei SIG, Barry Callebaut und Clariant verantwortlich sein. Seit über vier Jahren kennen die Aktienkurse der drei Unternehmen fast nur eine Richtung: abwärts. SIG haben seit dem Sommer vor vier Jahren 41 Prozent verloren, Barry Callebaut knapp 60 Prozent und Clariant über 54 Prozent.

Der Verpackungsspezialist SIG befindet sich laut CEO in einem Übergangsjahr. Die Effekte der hohen Inflationsraten der letzten Jahre werden weiterhin absorbiert, so Samuel Sigrist. In den Umsatzzahlen des ansonsten defensiven Geschäftsmodells ist dies kaum zu erkennen, doch auf Gewinnebene stagnieren Reingewinn und Gewinn pro Aktie. Im nächsten Jahr wird wieder mit Wachstum gerechnet. 

Entsprechend niedrig sind die SIG-Aktien bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt bei 15,8 -  über dem Tiefstwerten nach dem Börsengang (13), aber unter dem historischen Durchschnitt von 22.

Auch Barry Callebaut und Clariant sind günstig bewertet. Der Schokoladenhersteller hat seine Absatzprognose für das laufende Geschäftsjahr zum dritten Mal in Folge gesenkt. Analysten zweifeln zunehmend an der Prognosefähigkeit des Konzerns - vor kurzem hatte das Management noch eine Trendwende prognostiziert. 

Beim Chemiekonzern Clariant lässt eine Erholung des wichtigen Katalysator-Geschäfts weiter auf sich warten. In anderen Bereichen sind erste Zeichen einer Stabilisierung zu beobachten - eine echte Erholung blieb aber bisher aus. Clariant-CEO Conrad Keijzer betont zudem, dass der Chemiesektor derzeit zu den am wenigsten geschätzten Sektoren zählt. Zudem lasten Schadensersatzklagen verschiedener Unternehmen wegen angeblicher Verstösse gegen das Wettbewerbsrecht auf dem Ethylen-Einkaufsmarkt auf dem Aktienkurs. Clariant weist die Vorwürfe zurück.

Die Titel von Barry Callebaut werden zu einem KGV von 12 gehandelt. Dies ist nahe dem Allzeittief von 10 und spürbar unter dem Durchschnitt von 19. Clariant kommt auf ein KGV 9 - über dem Rekordtief von 4, aber ebenfalls unter dem Durchschnitt von 12. 

Während der stark gestiegene Kakaopreises (Kakao-Futures haben sich auf 8000 bis 12’000 Dollar mindestens verdoppelt) die Kursentwicklung von Barry Callebaut belastete, hängt Clariant mehrheitlich von der Entwicklung der Konjunktur ab. Der Chemiesektor ist üblicherweise ein Frühindikator für Konjunkturzyklen. Verbessert sich die Konjunktur, steigen die Clariant-Papiere.

Basilea - Nun endlich der Durchbruch?

Die Ausnahme unter den Aktien mit dem höchsten Gewinnpotenzial ist Basilea. Das Ertragspotenzial ist weder auf sinkende Kurse noch nachhinkende Analystenschätzungen zurückzuführen. Im Gegenteil: Seit Monaten verbucht das Biotech-Unternehmen mit regelmässigen Meilensteinzahlungen von verschiedenen Partnern positive Schlagzeilen.

Vergangenes Jahr leistete beispielsweise der US-Pharmariese Pfizer vier solche Zahlungen. Auch in diesem Jahr setzen sich diese Zuflüsse fort, wobei nun auch japanische Pharmafirmen Zahlungen leisten. Das Antimykotikum «Cresemba» verkauft sich gut. Experten rechnen deshalb mit einer Fortsetzung des Gewinnsprungs und Profitabilität - ein positiver Finanzausblick stützt diese Annahme.

2023 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von knapp 160 Millionen Franken. Bis 2027 soll diese auf fast 300 Millionen Franken steigen. Experten erwarten eine Vervielfachung des Gewinns pro Aktie von 0,86 Franken auf 4,3 Franken. Daraus ergibt sich ein vorwärtsgerichtetes KGV von gut 11.

Diese Wende macht sich im Aktienkurs bemerkbar: Nach dem Kurseinbruch von knapp 90 Prozent in den Jahren 2008 und 2009 erholten sich die Basilea-Papiere nie so richtig. Seit einem Allzeittief vor zwei Jahren legen sie hingegen um fast 45 Prozent zu.

Der positive Ausblick zeigt sich ebenfalls in den Hochstufungen und Kurszielanpassungen. Seit Sommer 2024 wurden die Kursziele von 70 Franken auf 88 Franken angehoben. Vier von fünf Empfehlungen lauten «Kaufen», nur eine auf «Halten». Eine Verkaufsempfehlung sucht man vergeblich.

Tabellenletzte: Enorme Kursgewinne

250 Prozent, 90 Prozent und 74 Prozent - so stark sind die Papiere von Cicor, Belimo und Swissquote in den letzten zwölf Monaten gestiegen. Nur wenige Experten rechneten mit einer solchen Entwicklung: Ihre Kurszielschätzungen liegen 26 Prozent, 17 Prozent und 27 Prozent unter dem Marktpreis.

Titel Kurs in CHF Kurspotenzial Rating*
Belimo 854,5 -17% Halten
U-Blox 105 -19% Halten
Bystronic 394,5 -23% Halten
Cicor 181 -26% Kaufen
Swissquote 504 -27% Halten

Quelle: LSEG. *entspricht der Mehrheit der Analystenempfehlungen.

Besonders auffällig ist Cicor. Noch im Oktober galten die Valoren des Tech-Unternehmens als unterbewertet - cash.ch berichtete. Nun haben das deutsche Konjunkturpaket und die Rüstungsbonanza zu einem Umdenken bei den Anleger geführt. Der Aktienkurs schnellte von 50 auf über 180 Franken hoch. Viele Analysten konnten mit dieser Entwicklung nicht mithalten, andere sehen erst den Anfang der Entwicklung.

Ein vergleichbares Muster zeigt sich bei Belimo und Swissquote. Noch im November 2023 lag der Aktienkurs der Online-Bank aus Gland unter den Analystenschätzungen bei 160 bis 220 Franken. Inzwischen haben US-Zölle und ein Anstieg des Bitcoin-Preises von 60’000 Dollar auf 120’000 Dollar die Handelsaktivitäten der Anleger deutlich belebt und die Aussichten verbessert. 

Während Swissquote im November 2023 fast auschliesslich Kaufempfehlungen erhielt, beobachten Experten den rasanten Kursanstieg mit Vorsicht. Heute stehen drei Kaufempfehlungen, drei Halten und einem Verkaufen gegenüber.

Und zuletzt: Wer hat beim KI-Boom an Lüftungstechniker gedacht? Selbst Experten haben das Potenzial bei Belimo unterschätzt. Ihre Kursziele hinken seit vergangenem Sommer der Aktienkursentwicklung hinterher.

Der intensive Bau von neuen Rechenzentren hat die Erwartungen punkto Umsatz- und Gewinnwachstum von Belimo stark ansteigen lassen. Bis 2024 lag das jährliche Umsatzwachstum bei 5,7 Prozent. Bis 2029 wird mit über 11 Prozent pro Jahr gerechnet. Der Gewinn dürfte gar 16 Prozent pro Jahr steigen. 

Die positiven Aussichten der drei Wachstumsunternehmen zeigen sich im Preis: Belimo hat ein KGV von 54 (historischer Durchschnitt: 26), Swissquote eines von 24 (14) und Cicor 25 (14).

Luca_Niederkofler
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