Von seinem bis jetzt höchsten je verzeichneten Stand bei 10'091 Punkten ist der Leitindex Swiss Market Index (SMI) wieder zurückgekommen. Das Minus seit dem 4. Juli, als der Rekordwert erreicht war, beträgt 3 Prozent. Nur drei SMI-Aktien haben in diesem Zeitraum im Plus performt.
Besonders deutlich haben die Investoren Sika (-17,4 Prozent) fallen lassen, den hocherfolgreichen Bauchemiekonzern. Im Juli gab es hier allerdings auch grössere Gewinnmitnahmen. Die Performance seit Anfang Jahr liegt immer noch um 10,9 Prozent im Plus. Das Unternehmen ist weiterhin gut positioniert, bei einer besser als erwartet verlaufenden Weltkonjunktur am Aktienmarkt wieder punkten zu können. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 28 ist die Bewertung leider eher hoch.
Im Vergleich zu Sika hält sich der Zementkonzern LafargeHolcim, in einem margenschwachen Geschäft zuhause und nach wie vor in einem grossen Umbau begriffen, mit -3,6 Prozent relativ gut. Dennoch dürfte LafargeHolcim stärker von möglichen Konjunkturdämpfern getroffen werden, auch wenn das KGV nur bei 12 liegt.
Versicherer halten sich gut
Die jüngsten Marktturbulenzen, ausgelöst durch Rezessionsängste und den nicht endenwollenden Handelstreit, sprechen letztlich aber klar für weniger konjunktursensitive Aktien. Die Liste der zehn besten - oder am wenigsten schlechten - Aktien (siehe Tabelle) liest sich wie ein Who-is-who der defensiven Schweizer Blue Chips.
Nestlé (+5,8 Prozent), Lonza (+5,3 Prozent) und Zurich (+1,2 Prozent) stehen seit Anfang Juli im Plus, wobei bei diesen Titeln auch gute Halbjahreszahlen zur Positivperformance verholfen haben. Mit Swisscom (-1,3 Prozent), Alcon (-1,5 Prozent), Swiss Re (-1,9 Prozent) und Novartis (-3 Prozent) haben Anlegerinnen und Anleger seit Anfang Juli vergleichsweise wenig Geld verloren.
Etwas aus der Reihe tanzt Swiss Life: Der Lebensversicherer verlor mit -4,6 einiges mehr als die Zurich oder Swiss Re. Allerdings zeigten sich auch bei dieser Aktie zum allgemeinen Marktrücksetzer zusätzlich Gewinnmitnahmen. Der Markt steht grundsätzlich positiv zur Swiss Life, die über die vergangenen Jahre stark an Effizienz zugelegt hat und zudem mehr und mehr zum Dividendentitel wird. Das vor kurzem als eher hoch eingestufte KGV ist auf moderatere 14 gefallen.
SMI-Aktien seit dem Kursrekord
Obere 10 | Performance seit 4. Juli | Untere 10 | Performance seit 4. Juli |
Nestlé | +5,8 Prozent | Sika | -17,4 Prozent |
Lonza | +5,3 Prozent | UBS | -14,1 Prozent |
Zurich | +1,2 Prozent | Adecco | -12,1 Prozent |
Swisscom | -1,3 Prozent | Richemont | -8,4 Prozent |
Alcon | -1,5 Prozent | ABB | -7,8 Prozent |
Swiss Re | -1,9 Prozent | Credit Suisse | -6,9 Prozent |
Novartis | -3 Prozent | Givaudan | -5,8 Prozent |
Roche | -3,1 Prozent | SGS | -5,3 Prozent |
LafargeHolcim | -3,6 Prozent | Geberit | -4,9 Prozent |
Swatch | -3,9 Prozent | Swiss Life | -4,6 Prozent |
Stand Tabellen: 21. August 2019 / Daten: Bloomberg
Am breiten Markt verzeichneten die stärksten Verluste die Aktien von Firmen, die vor grossen Problemen stehen, oder die als Biotechunternehmen sehr volatile Börsenkurse aufweisen: Polyphor (-59,9 Prozent), die in Nachlassstundung stehende Airopack (-48 Prozent) oder auch Schmolz+Bickenbach (-31,4 Prozent) und Relief Therapeutics (-22,2 Prozent) sind in dieser Hinsicht keine Unbekannten.
Hervorzuheben ist das Drama des Milchverarbeiters Hochdorf (-47,6 Prozent), wo die Halbjahreszahlen schlechter als erwartet ausgefallen sind und nun dringender Kapitalbedarf besteht. Das Management spricht sogar von einer "ernstzunehmenden" Krise.
Milchverarbeitung - Hochdorf braucht nach roten Zahlen frisches Geld https://t.co/rTpHH5yyjt
— cash (@cashch) August 20, 2019
Wie der SMI hat der breite Swiss Performance Index (SPI) am 4. Juli sein bisheriges Höchst bei 12'203 Punkten erreicht. Seitdem hat er 2,5 Prozent verloren. Auch hier traf es Aktien, die lange in der Gunst von Analysten und Anlegern gestanden hatten. Autoneum (-26,1 Prozent) genoss den Anstrich eines Contrarian-Titels und hatte deswegen Freunde am Markt, aber entsprechende Hoffnungen haben sich nicht erfüllt.
Der Kurs befindet sich auf einem Sechsjahrestief und dürfte sich nicht schnell erholen. Autoneum hat bei tiefen Margen wenig Manövriermasse und wird die Krise der Autohersteller weiter spüren, auch wenn die Weltwirtschaft nicht in die Rezession fällt: Die Industrie scheint sich hier grundlegend zu wandeln.
Interroll (-28,2 Prozent) etwa gehörte früher zu den bestperformenden Industrietiteln. Auch hier zeigt sich: Es wurden in den vergangenen Wochen kräftig Gewinne mitgenommen. Fundamental ist der Logistikausrüster weiterhin gut unterwegs. Seit Anfang Jahr ist der Kurs immer noch um 21,5 Prozent im Plus. Solange das Konjunkturumfeld aber unsicher ist, ist das Aufwärtspotenzial bei Schweizer Industrieaktien auch hier begrenzt.
Tops und Flops der SPI-Aktien seit dem Kurshoch
Obere 10 | Performance seit 4. Juli | Untere 10 | Performance seit 4. Juli |
Edisun | +26,2 Prozent | Polyphor | -59,9 Prozent |
Lmgroup | +23,7 Prozent | Airopack | -48 Prozent |
Asmallworld | +23,3 Prozent | Hochdorf | -47,8 Prozent |
Highlight | +21,2 Prozent | Bobst | -35,5 Prozent |
SIG Combibloc | +16,3 Prozent | Aryzta | -32,4 Prozent |
VZ Holding | +12,3 Prozent | Schmolz+Bickenbach | -31,4 Prozent |
Swiss Prime Site | +9,4 Prozent | Interroll | -28,2 Prozent |
PSP Swiss Property | +8,9 Prozent | Autoneum | -26,1 Prozent |
Warteck Invest | +8,5 Prozent | Oerlikon | -25,7 Prozent |
Vifor | +8,4 Prozent | Relief Therapeutics | -22,2 Prozent |
Bei den gut gelaufenen Aktien fallen die Immobilientitel Swiss Prime Site (+9,4 Prozent) und PSP Swiss Property (+8,9 Prozent) auf. Das Segment profitiert derzeit stark von den sehr tiefen Zinsen (cash berichtete). Das Pharmaunternehmen Vifor (+8,4 Prozent) und der Finanzvermittler VZ Holding (+12,3 Prozent) unterstreichen am breiten Markt die gestiegene Bedeutung, die defensive Geschäftsmodelle haben.
Tiefzinsen lassen Schweizer Immobilienaktien nach oben ausbrechen |
Bei den toprangierenden Aktien, dem Solartechniker Edisun (+26,2 Prozent), Lmgroup (Ex-Lastminute.com, davor Bravofly Rumbo, +23,7 Prozent) und dem Sozialen Netzwerk Asmallworld (+23,3 Prozent) handelt es sich um kleinkapitalisierte Titel mit starken Kursauschlägen, wo eine Sieben-Wochen-Betrachtung keine zuverlässigen Aufschlüsse über künftige Kursentwicklungen liefert.
Zu den grösseren Überraschungen im SPI hingegen gehört SIG Combibloc (+16,3 Prozent). Nach der Kotierung vor erst elf Monaten kam der Kurs zunächst nicht auf Touren. Im Juli legte das Unternehmen gute Zahlen vor, Analysten attestieren dem Verpackungsspezialisten gutes Wachstumspotential. Die nähere Zukunft bei SIG, dem der Mehrheitsaktionär Onex hohe Schulden in die Bilanz geladen hat, ist allerdings noch von Unsicherheit geprägt.