Spätestens nach dem «Liberation Day» Anfang April haben internationale Investoren die US-Aktienmärkte abgeschrieben. Anlegerinnen und Anleger zögen sich von der US-Börse zurück mit dem Argument, US-Valoren seien generell zu teuer und Europa sowie die fernöstlichen Aktienmärkte seien die bessere Alternative, so die landläufige Meinung der Marktstrategen.
In der Lokalwährung Dollar gerechnet hat sich diese These nur bedingt bewahrheitet, denn alle wichtigen US-Börsenindizes von Dow Jones Industrial Average, S&P 500 Index oder Nasdaq 100 notieren nahe oder auf Rekordhoch. In Europa feierten jüngst der deutsche Aktienindex (Dax) und der englische FTSE 100 Index neue Allzeithochs. Die Schweizer Börse siecht dagegen wegen des starken Frankens vor sich hin.
Es ist denn auch in Franken umgerechnet, wo sich die Spreu vom Weizen aus hiesiger Perspektive trennt. Wegen der Dollarschwäche zum Franken verlor der Dow Jones seit Anfang Jahr inklusive Dividendenzahlungen 10 Prozent und der Nasdaq 100 Index 7 Prozent an Wert. Auf der anderen Seite legte der deutsche Dax inklusive Ausschüttungen um 19 Prozent zu, der Euro Stoxx 50 Index um 8 Prozent und der Swiss Market Index (SMI) immerhin noch um 5 Prozent - wobei mehr als die Hälfte der Performance den Dividenden geschuldet sind.
Technologie- und Finanzsektor überzeugen
Ein Blick auf den Dow Jones Industrial zeigt eine klare Outperformance von Tech- und Finanzvaloren im ersten halben Jahr. IBM zogen 33 Prozent an, JPMorgan 17 Prozent, Microsoft 16 Prozent und Goldman Sachs 15 Prozent. Erst auf dem fünften Rang kommt mit 3M (+14 Prozent) ein Industrieunternehmen. Immerhin vier Value-Aktien schafften es unter die ersten zehn Position mit Kursgewinnen zwischen 11 und 14 Prozent: Cisco, Coca-Cola, Visa und Travelers. Damit ist auch klar: Value-Aktien sind weiterhin nicht wirklich «en vogue».
Gewinner und Verlierer im Dow Jones Industrial Index erstes Halbjahr 2025.
Auf der Verliererseite im Dow Jones sticht UnitedHealth hervor. Nach dem Tod des CEO kam das Unternehmen zusätzlich wegen überhöhter Preisforderungen in die Schlagzeilen. Seit Jahresbeginn resultiert ein Minus von 40 Prozent. Das aktuelle Preisniveau könnte für geduldige Schnäppchenjäger ein guter Einstiegszeitpunkt sein. Das Management von UnitedHealth hat in den letzten acht Wochen so viele eigene Aktien erworben wie zuletzt vor zehn Jahren.
In den hinteren Rängen finden sich Nike (-18 Prozent), Salesforce (-18 Prozent) und Merck & Co. (-18 Prozent). Wachstumsperspektiven unter den Erwartungen setzten Salesforce zu und Nike tut sich mit dem Turnaround schwer. Darüber täuscht auch das am Donnerstag veröffentliche Quartalsergebnis nicht hinweg, welches besser als erwartet ausfiel. Bei Merck lastet wiederum die hohe Abhängigkeit von dem Krebsmedikament Keytruda, die Schwierigkeiten mit dem Impfstoff Gardasil und die Unsicherheit um die Pipeline neuer Produkte wie ein Bleiklotz auf dem Aktienkurs.
Zu den überraschenden Verlierern zählt Apple, deren Valoren 20 Prozent an Wert verloren haben. Mit revolutionären, trendsetzenden neuen Produkten und Innovationen kann die Firma aus dem kalifornischen Cupertino derzeit nicht aufwarten. Die US-Zölle lasten schwer, das Unternehmen muss einen wesentlichen Teil seiner Einkaufsstandorte neu organisieren, da China wegen der Zölle wohl zu teuer geworden ist. Zudem laufen die Verkäufe von iPhones schleppend und bei der Künstlichen Intelligenz hinkt Apple der Konkurrenz hinterher.
Nasdaq trotzt Apple und Tesla
Wer vor Jahresfrist behauptet hätte, der Nasdaq 100 Index könne neue Rekorde trotz schwacher Apple (-20 Prozent) und Tesla (-19 Prozent) erreichen, der wäre nach der Dominanz der Techschwergewichte in 2024 für verrückt erklärt worden. Das Plus im Nasdaq ist um so bemerkenswerter, weil es kein Titel der «glorreichen Sieben» Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia oder Tesla unter die Top zehn schafft. Vielmehr heissen die Zugpferde Palantir (+90 Prozent), Zscaler (+71 Prozent), Micron Technology (+52 Prozent), MercadoLibre (+48 Prozent) und Netflix (+43 Prozent).
Die «Glorreichen Sieben» scheinen für den Moment die besten Tag hinter sich zu haben, da diese trotz weiter guter Wachstumsperspektiven im Vergleich zum Markt teuer bewertet sind. Die Ähnlichkeit zwischen den Wachstumsaussichten der «glorreichen Sieben» und den Wachstumsaussichten des restlichen globalen Aktienmarktes, die von den Anlegern ignoriert wurden, begünstigt nun den Rest des Marktes, meinen die Analysten der New Yorker Research-Boutique Richard Bernstein Advisors in einer Kundennotiz. So weisen US-Finanzwerte dank Dividendenzahlungen bei ähnlichen Gewinnwachstumsperspektiven eine bessere risikoadjustiertes Potenzial aus.
Gewinner und Verlierer im Nasdaq Index erstes Halbjahr 2025.
Unter den «glorreichen Sieben» reisst einzig Nvidia gegen oben aus und wartet für die nächsten zwölf Monate mit einem prognostizierten Wachstum von 25 Prozent auf. Wird Nvidia aus den magischen Sieben hinausgerechnet, beträgt die mittlere Prognose noch 10 Prozent - das entspricht in etwa der gleichen mittleren Wachstumsprognose für die verbleibenden 493 Unternehmen im S&P 500 Index von 9 Prozent, so die Nachrichtenagentur Bloomberg.
Biotech-Aktien weiterhin nicht gefragt
Auf den hinteren Rängen im Nasdaq finden sich mit Biogen (-17 Prozent) und Regeneron Pharmaceuticals (-26 Prozent) zwei namhafte Biotech-Valoren. Nach den Kursverlusten 2024 hat der gesamte Biotech-Sektor auch im ersten Halbjahr schlecht performt. Der «Vaneck Biotech ETF» konnte die Verluste im Juni immerhin eingrenzen und steht im Vergleich zum Jahresanfang «nur» 5 Prozent tiefer.
Am Schluss der Rangliste findet sich Lululemon Athletica mit einem Abschlag von 39 Prozent. Der kanadische Einzelhändler für Sportbekleidung ist stark von den neuen US-Zöllen betroffen. Ebenso macht sich die zunehmend zurückhaltende Konsumentenstimmung negativ bemerkbar. Zusammen mit einer Anfang Jahr hohe Bewertung war das die perfekte Ausgangslage für einen Kursabsturz.