Der Schweizer Franken hat sich letztes Jahr zum Dollar um fast 10 Prozent aufgewertet - das ist der stärkste Anstieg seit 2010. Seit Jahresbeginn hat sich das Blatt nun etwas gewendet, der Franken schwächelt gegenüber den wichtigen Währung Euro (-2 Prozent), Dollar (-5 Prozent) oder dem englischen Pfund (-4 Prozent).

Die Blue-Chip-Unternehmen Roche, Swatch und Sika haben jüngst allesamt darauf hingewiesen, dass der starke Franken ihre Gesamtjahreszahlen 2023 belastete. «Die bisher veröffentlichten Ergebnisse für 2023 zeigen erhebliche Auswirkungen des starken Frankens, und viele haben hinsichtlich der Währung deutlich enttäuscht», sagt Stefan Meyer, Aktienanalyst bei UBS gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. «Wir gehen davon aus, dass der Währungseffekt im ersten Quartal 2024 negativ bleiben wird.»

Unternehmen mit hohen Schweizer Kosten, die den Grossteil ihrer Umsätze im Ausland erzielen, sind am stärksten von den Auswirkungen der hiesigen Währung auf die Wettbewerbsfähigkeit betroffen. Roche beispielsweise meldete einen Anstieg der pharmazeutischen Forschungs- und Entwicklungsausgaben um 6 Prozent auf 11,5 Milliarden Schweizer Franken (umgerechnet 13,3 Milliarden Dollar), wovon ein wesentlicher Teil in Basel anfällt. Im Gegensatz dazu sind währungsbedingte Gegenwinde im übrigen Europa aufgrund der Stabilität des Euro gegenüber dem Greenback im vergangenen Jahr kaum Gegenstand von Gewinnwarnungen geworden.

Analysten haben die Auswirkungen des Frankens auf die Gewinne im ersten Quartal unterschätzt und müssen ihre Schätzungen möglicherweise überdenken, sagte Thomas Jäger, Senior Portfolio Manager bei Mirabaud. Nischensektoren mit höheren Eintrittsbarrieren, darunter Halbleiterhersteller wie VAT und Inficon, sowie grosse Unternehmen mit starker Preissetzungsmacht, sollten aber stärker geschützt sein, erklärte Jäger weiter.

Index-Zusammensetzung als Bremsklotz

Die «schwachen» Gewinne und der robuste Franken erklären grösstenteils, warum Schweizer Aktien derzeit im internationalen Vergleich hinterherhinken. Dies zeigt ein Vergleich mit dem deutschen Aktienindex (Dax), der auf Rekordniveau steht - der SMI notiert dagegen immer noch mehr als 11 Prozent unter dem Allzeithoch von Dezember 2021. Werden dagegen die Teuerung, das Zinsniveau und das Wirtschaftswachstum hinzugezogen, so hat die Schweiz gegenüber Deutschland die Nase deutlich vorne. 

Die sogenannte Makrodaten sind aber keine Erklärung für das schwache Abschneiden der Schweizer Aktien. Auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis ist kein Gradmesser, der wirklich taugt. Absolut betrachtet ist der Schweizer Markt im europäischen Vergleich zwar teurer und wird mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 17 und einem Aufschlag von 30 Prozent gegenüber dem Stoxx 600 gehandelt.

Allerdings lassen sich die Indizes nur teilweise miteinander vergleichen lassen. Erstens ist das der unterschiedlichen Anzahl enthaltenen Aktien geschuldet. Von der Anzahl Unternehmen ist der SMI mit 20 Unternehmen am ehesten mit dem Dax (40 Unternehmen), Eurostoxx 50 Index (50 Unternehmen) sowie dem Dow Jones Industrial Index (30 Unternehmen) zu vergleichen - der S&P 500 oder der Stoxx 600 Index mit 500 respektive 600 Unternehmen sind dagegen wesentlich breiter gefasst. 

Wichtig ist zweitens, bei der Sektor-Zusammensetzung genauer hinzuschauen. Die Gesundheitswerte Alcon, Novartis, Lonza, Roche und Sonova machen im SMI 34 Prozent oder ein Drittel der Gesamtgewichtung aus. Noch ausgeprägter ist die Gewichtung der drei defensiven Schwergewichte Nestlé (19 Prozent vom SMI), Novartis (15 Prozent) und Roche (14 Prozent), welche 48 Prozent oder knapp die Hälfte am Schweizer Leitindex ausmachen. Die nächsten vier Firmen ABB, Richemont, UBS und Zurich bringen es noch auf etwas mehr als fünf Prozent Marktgewichtung. In der Summe stehen diese sieben Valoren für einen Gesamtanteil von 71 Prozent oder mehr als zwei Drittel im SMI. Die restlichen 13 Titel von Geberit, Givaudan über Logitech bis Swiss Re machen noch 28 Prozent aus - das ist weniger als ein Drittel. 

In der Schweiz ist die konzentrierte Marktgewichtung der Schwergewichte sehr ausgeprägt, wenn die Daten zum Beispiel mit dem Dow Jones Industrial Average verglichen werden. UnitedHealth mit 8,9 Prozent Markgewichtung steht im wichtigsten US-Index an der Spitze, gefolgt von Microsoft (6,9 Prozent), Goldman Sachs (6,5 Prozent), Home Depot (6,2 Prozent) und Caterpillar (5,4 Prozent). Die fünf grössten Dow-Titel machen damit einen Drittel des Index aus - gleich viel wie im SMI die zwei Schwergewichte Nestlé und Novartis zusammen. 

Anastasios Frangulidis, Chefstratege von Pictet Asset Management in Zürich, will den Schweizer Aktienmarkt denn auf keinen Fall abgeschrieben sehen, da er sich nur begrenzt mit den anderen Indizes messen lässt. Vergleicht man die Schweizer Industrie- oder Technologieunternehmen mit ihren Peers, sehe deren Gewinnlage nicht schlecht aus. «Der Schweizer Aktienmarkt besteht aus vielen Qualitätsunternehmen, die aktuell keinesfalls hoch bewertet sind. Das macht sie weiterhin attraktiv für die Investorinnen und Investoren», so Frangulidis.  

Defensiver Charakter des SMI mit starker Dividendenrendite

Dem SMI fehlen auch klassische Value-Industrien wie Energie noch Bergbau und die einzige verbleibende Bank UBS ist eher Vermögensverwalter als kommerzieller Kreditgeber, schreiben die Analysten von Bloomberg. Das relativiert auch das hohe Kurs-Gewinn-Verhältnis - dieses liegt zum Beispiel beim englischen FTSE 100 Index wesentlich tiefer wegen der grossen Anzahl an Energie- und Bergbaufirmen, die historisch betrachtet oft mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen unter 10 oder noch tiefer gehandelt werden. 

Andererseits darf auch nicht vergessen werden, dass die Dividendenausschüttungen in der Schweiz weiterhin attraktiv sind. Und gerade diese Dividenden führen dazu, dass sich die Performance des SMI längerfristig betrachtet sehen lassen kann, wie cash.ch hier berichtete. 

Unternehmen Dividendenrendite Preis in Franken Kursperformance in 2024
Swiss Re 5,7 Prozent 104,3 +10 Prozent
Zurich Insurance 5,6 Prozent 460,6 +4 Prozent
Kühne + Nagel 4,9 Prozent 288 +1 Prozent
Swiss Life 4,7 Prozent 644 +11 Prozent
Swisscom 4,3 Prozent 509 +2 Prozent
Roche 4,2 Prozent 230,05 +6 Prozent
Holcim 3,6 Prozent 68,58 +5 Prozent
Novartis 3,6 Prozent 90,73 +7 Prozent
Nestle 3,1 Prozent 95,49 +3 Prozent
Partners Group 3.0 Prozent 1242 +2 Prozent
UBS 2,5 Prozent 24,71 -6 Prozent
Geberit 2,4 Prozent 519,2 +4 Prozent
ABB 2,2 Prozent 39,89 +9 Prozent
Richemont 1,8 Prozent 136,55 +17 Prozent
Givaudan 1,8 Prozent 3784 +8 Prozent
Sonova 1,6 Prozent 290 +5 Prozent
Logitech 1,3 Prozent 78,6 +2 Prozent
Sika 1,3 Prozent 257 +7 Prozent
Lonza 0,9 Prozent 461,3 +29 Prozent
Alcon 0,3 Prozent 70,6 +8 Prozent

Daten: Bloomberg.

Die Bloomberg Intelligence-Strategen Tim Craighead und Laurent Douillet betonen, dass die Bewertung des Schweizer Marktes komplexer ist, als es angesichts der Tatsachen im Bezug auf das KGV aussieht. Interessanterweise werden mehrere SMI-Titel – Richemont, Roche, Novartis und ABB – tatsächlich mit einem Abschlag gegenüber ihren internationalen Mitbewerbern gehandelt.

Und selbst Nestlé ist im historischen Vergleich nun wieder günstiger bewertet. «Insgesamt glauben wir weiterhin, dass sich die Fokussierung der Produktportfolios auf die wachstumsstarke Kategorien PetCare, Kaffee, Nahrungsergänzung oder Premium-Produkte wie Wasser auszahlen wird. Die Bewertung ist im Vergleich zum Gesamtmarkt in den letzten Monaten mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 18,8 deutlich zurückgekommen», schreibt die Helvetische Bank in einem Kommentar am Freitag. Die Aktien von Nestlé gehören grundsätzlich in jedes diversifizierte Aktienportefeuille und bleiben daher auch weiterhin eine Kernanlage im Swiss Equity Investment Portfolio der Helvetischen Bank. 

Schwächerer Franken als Katalysator?

Der Präsident der Schweizerischen Nationalbank, Thomas Jordan, räumte jüngst ein, dass ein stärkerer Franken dazu beigetragen habe, die Inflation einzudämmen. Für inländische Unternehmen sei das aber schmerzhaft gewesen. Frangulidis gibt dazu ein bisschen Entwarnung: «Es sieht danach aus, als ob die Aufwertungsphase des Schweizer Frankens vorübergehend nachlassen wird.» Eine sich langsam abzeichnende Stabilisierung beziehungsweise Erholung der globalen Industrie und des globalen Handels kann zyklischere Währungen wie dem Euro zugutekommen. Zugleich werden dadurch die Perspektiven einer Umsatzsteigerung für Schweizer Firmen besser, konstatiert der Anlagechef von Pictet.  

Sollte der Schweizer Franken nun über das gesamte Jahr etwas zur Schwäche neigen, so könnte die hiesige Valuta eindeutig zu einer Wiederbelebung der Outperformance von Schweizer Aktien ab dem zweiten Quartal 2024 beitragen. 

Thomas Daniel Marti
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