Was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte?
Bernd Hartmann: Die Börsen haben zuletzt von einer Entspannung der politischen Risiken profitiert. Zu gross sollte die Freude aber nicht sein, denn sowohl beim Handelskonflikt als auch beim Brexit stehen in der nächsten Etappe weitere, schwierige Verhandlungen an.
Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Die Nachrichtenlage wird zunächst freundlich sein. Doch nach den starken Zugewinnen ist vieles eingepreist. Die Vorlaufindikatoren stabilisieren sich, doch eine dynamische Erholung wird ausbleiben. Dies erlaubt jedoch eine lockere Geldpolitik, was derzeit für die Börsen wichtiger ist als Gewinnwachstum.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
Nach einem Jahr der global starken Abkopplung von Kurs- und Gewinnentwicklung erwarten wir für den Schweizer Markt Zugewinne in Höhe des Wachstums der Unternehmensgewinne. Wenn sich der alljährliche Optimismus der Analysten entzaubert hat, liegt dies im einstelligen Bereich.
2019 sind mit Alcon, SoftwareOne und Stadler bekannte Unternehmen an die Schweizer Börse gekommen. Werden im nächsten Jahr weitere klingende Namen einen IPO in der Schweiz wagen?
Hält die gute Börsenstimmung, dürften sich der Softwarehersteller Avaloq und die Immobilienplattform Crowdhouse dem Publikum öffnen. Kuoni könnte den Visadienstleister VSF und Metall Zug den Hausgerätehersteller V-Zug abspalten. Auch Selecta könnte einen erneuten Anlauf wagen.
Welchen drei Schweizer Unternehmen trauen Sie im kommenden Jahr ein überdurchschnittliches Abschneiden an der Börse zu – und von welchen Titeln raten Sie Anlegern ab?
Viel erwarten wir von Lonza dank struktureller Trends in Pharma Biotech & Nutrition, von Partners Group als Profiteur der Niedrigzinsen und von SIG Combibloc dank des Trends zu nachhaltigen Lösungen. Enttäuschungspotenzial sehen wir hingegen bei Alcon wegen hoher Erwartungen und der Bewertung, bei Swatch wegen der Konkurrenz bei Billiguhren und bei Dufry wegen des Wachstums.
Die Techkonzerne sind längst ins Visier der Wettbewerbsprüfer geraten und dürften in den USA auch zum Wahlkampfthema werden. Dennoch werden sie auch 2020 zu den Kursgewinnern zählen. Ihre starke Stellung bei künstlicher Intelligenz ist ein starker Wachstumstreiber. Eine Schwächung würde den Chinesen in die Hände spielen.
Wie wird sich der Euro-/Frankenkurs im kommenden Jahr entwickeln?
Die bereits lange andauernde Dollar-Stärke könnte wegen des hohen Zwillingsdefizits im Jahresverlauf zu Ende gehen. Dies hat auch Folgen bei anderen Währungspaaren: Ein stärkerer Euro dürfte dann auch zu einem schwächeren Franken gegenüber Euro führen.
Bernd Hartmann ist Leiter CIO Office und Chefstratege bei der VP Bank.
Das Interview erschien zuerst bei HZ mit dem Titel: «Viel erwarten wir von Lonza, Partners Group und SIG Combibloc»