Der cash Insider berichtet im Insider Briefing börsentäglich von brandaktuellen Beobachtungen rund um den Schweizer Aktienmarkt und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.

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Als ich am frühen Morgen des 8. Oktobers im Insider-Briefing davon berichtete, dass bei mehreren Aktien aus der Schweiz ausserbörslich grosse Blöcke umgehen würden, war für mich sofort klar: Da bahnt sich etwas an.

Denn für gewöhnlich wechseln solch üppige Blöcke nur unmittelbar vor und wenige Tage nach einem grossen Derivatverfall die Hand. Bis zum nächsten Verfall – erst noch ein kleiner - dauerte es damals allerdings noch gut eine Woche.

Selbst eine Woche nach dem Derivatverfall gingen dann immer noch grosse Aktienblöcke um, was mich erst recht stutzig machte. So war ich dankbar, als ausgerechnet Merrill Lynch zeitnah das Geheimnis um die ausserbörslichen Blocktransaktionen lüftete – und mir ganz nebenbei auch gleich noch eine einleuchtende Erklärung für den Krebsgang beim Swiss Market Index (SMI) lieferte.

Die mächtige amerikanische Investmentbank enttarnte nicht weniger mächtige Fondsanbieter als aggressive Verkäufer von Pharmawerten wie Roche und Novartis. Der Erlös fliesse – wer hätte das gedacht – in die bereits gut gelaufenen Wachstumsaktien, so berichtete Merrill Lynch weiter.

Doch nicht nur mächtige Fondsanbieter, auch Firmenlenker machten in den letzten Wochen vermehrt Kasse. An der Leitbörse in New York trennten sie sich in einem seit Jahren nicht mehr beobachteten Umfang von Aktien des eigenen Arbeitgebers. Doch auch bei uns in der Schweiz wurden zuletzt Titelverkäufe in Millionenhöhe bekannt. Zu nennenswerten Verkäufen kam es bei Kühne+Nagel, Julius Bär oder bei Siegfried.

Im Wissen, dass an den Aktienmärkten nur wenige Tage später eine Verkaufswelle rund um den Globus rollte und den SMI aus seinem mehrmonatigen Seitwärtstrend nach unten fallen liess, sind die mächtigen Grossinvestoren und die Firmenlenker gerade noch rechtzeitig von Bord gegangen.

Die Zeche zahlen nun die Privatanleger. Wie Erhebungen der britischen Barclays zeigen, waren sie es, welche in den besagten Wochen kräftig zukauften und die auf den Markt geworfenen Aktien absorbierten.

Seit der SMI erstmals wieder in den vierstelligen Bereich abtauchte, ist, als sei ein Damm gebrochen. Dass dabei ausgerechnet die "sicheren Häfen" Nestlé, Roche und Novartis unter die Räder gerieten, ist etwas gar eigenwillig.

Kursentwicklung der Valoren von Nestlé (rot), Roche (grün) und Novartis (gelb) über die letzten 12 Monate (Quelle: www.cash.ch)

Stattdessen greifen die hiesigen Marktakteure lieber zu Sika, Logitech oder Zur Rose. Diese beliebten Wachstumsunternehmen und ihre Aktien gelten neuerdings als die "sicheren Häfen" – ganz nach amerikanischem Vorbild.

Die schmerzhafte Erfahrung, dass man selbst bei beliebten Wachstumsaktien nicht vor Kursrückschlägen gefeit ist, mussten am Mittwoch die Aktionäre von Straumann machen. Aus Angst vor einem enttäuschenden Schlussquartal ging es für die Papiere des Weltmarktführers aus Basel an diesem Tag vorübergehend um fast 10 Prozent nach unten. Dass der Dentalimplantatehersteller die Wachstumserwartungen im dritten Quartal deutlich übertraf, schien dabei von untergeordneter Bedeutung zu sein.

Zu den Wochengewinnern zählen hingegen die Aktionäre von Zur Rose. Die Versandapotheke ist an der Börse fast 15 Prozent mehr wert als am letzten Freitag. Mit anderen Worten: Der diesjährige Überflieger konnte die mysteriöse Kursflaute endlich überwinden.

Im Handel wird gemunkelt, dass ein grosser Marktakteur auf dem falschen Fuss erwischt wurde und er Aktien zukaufen musste. Das würde zu den Mutmassungen von Mitte Oktober passen. Damals schrieb ich:

Sollte gar dieses Derivatkonstrukt für das Kursfeuerwerk verantwortlich sein?

Nicht aus den Negativschlagzeilen kommt Implenia. Vor wenigen Tagen schockierte der Baukonzern mit der Nachricht, dass er mit einem satten Jahresverlust rechne und sich deshalb einem einschneidenden Sparprogramm verschreibe. Dadurch gehen rund 750 Stellen verloren, ein Drittel davon in der Schweiz.

Schmerzhafter Kurseinbruch der Implenia-Aktien von dieser Woche (Quelle: www.cash.ch)

Die Quittung liess nicht lange auf sich warten. Während Analyst Patrick Appenzeller von Research Partners die Aktien von "Kaufen" auf "Halten" herunterstufte und das Kursziel auf 20 (zuvor 40) Franken halbierte, strich der für Vontobel tätige Berufskollege Bernd Pomrehn sein Kursziel ebenfalls auf 20 (zuvor 34) Franken zusammen. Beides kommt einer Kapitulation sehr nahe.

Spätestens seit dem heutigen Freitagmorgen steht fest: Der Mist bei Sunrise Communications ist geführt. Die Eidgenössische Wettbewerbskommission gibt der Übernahme durch Liberty Global ihren Segen. Und das erst noch ohne irgendwelche Auflagen. Die UPC-Mutter hält eigenen Angaben zufolge gut 96 Prozent der Stimmen.

Am gestrigen Donnerstag schlossen die Aktien von Sunrise Communications erstmals zum Barangebot in Höhe von 110 Franken auf – nur um im Laufe des Nachmittags in der Spitze sogar auf 110,50 Franken vorzustossen. Ich weiss nicht, ob sich einige Marktakteure aus sentimentalen Gründen noch rasch mit Titeln der Nummer Zwei im Schweizer Mobilfunkmarkt eindeckten. Anders lässt sich diese Kuriosität nämlich kaum erklären.

Und wenn wir schon bei den Kuriositäten sind, gilt es einen Tweet vom amerikanischen Präsidenten Donald Trump zu erwähnen. Nachdem das dortige Bruttoinlandprodukt im zurückliegenden dritten Quartal stärker als erwartet gewachsen war, klopfte er sich über sein Lieblings-Medium gleich selber auf die Schultern.

Ich weiss allerdings nicht, ob der Republikaner in der Schule im Fach Mathematik einen Fensterplatz hatte. Wenn das Bruttoinlandprodukt erst um einen Drittel fällt, um dann von dort aus wieder um einen Drittel anzusteigen, liegt die Wirtschaftsleistung meinen Berechnungen zufolge nämlich noch immer um gut 10 Prozent unter ihrem ursprünglichen Ausgangspunkt.

Spannend finde ich auch, dass ein Tweet, in dem Trump die Rekorde an der New Yorker Börse feierte, den vorläufigen Höhepunkt markiert. Seither sind die dortigen Aktienkurse deutlich zurückgefallen.

Allerdings scheint der Glaube der Banken und ihrer Strategen an eine Jahresendrally unerschütterlich. Patrik Lang von Julius Bär hält die Angst vor einem pandemiebedingten Lock down für übertrieben. Er sieht die Aktienmärkte über die nächsten Wochen Boden finden und danach bis Jahresende zu einer Erholung ansetzen. Mit anderen Worten: Für Lang sind die Aussichten auf eine Jahresendrally intakt.

Ein Gros seiner Berufskollegen bei anderen Banken teilt diese Meinung. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Bleibt mir nichts anderes übrig als zu hoffen, dass zu viele Köche nicht auch an der Börse den Brei verderben. Mehr zum Thema am Freitag in einer Woche, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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