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Für den Schweizer Aktienmarkt waren die letzten Tage – zumindest am Swiss Performance Index (SPI) gemessen – unter dem Strich bloss ein Nullsummenspiel. Das breit gefasste Börsenbarometer bewegte sich die ganze Woche über in einem engen Handelsband von gerade einmal etwas mehr als 130 Punkten.
Allerdings war das Handelsgeschehen um einiges hektischer, als die hiesige Gesamtmarktentwicklung erahnen lässt. Prozentual zweistellige Kursausschläge waren keine Seltenheit. Stumme Zeugin davon ist die Liste der Gewinner und Verlierer von dieser Woche.
Wie schon ab Mitte Juli sorgt die Unternehmensberichterstattung bei den betroffenen Aktien für viel Bewegung. Alleine am gestrigen Donnerstag warteten bei uns in der Schweiz nicht weniger als acht Publikumsgesellschaften mit Zahlen für das dritte Quartal auf, darunter so grosse Namen wie Roche oder Kühne+Nagel aus dem Swiss Market Index (SMI). Wie schon während den Sommermonaten zieht sich das Phänomen der extremen Kursausschläge auch jetzt wieder wie ein roter Faden durch die Berichtsaison.
Auf der Liste der Wochengewinner stösst man übrigens auf mehrere «alte Bekannte». Ich denke da etwa an Montana Aerospace (+15 Prozent) oder Galderma (+4 Prozent). Beide Aktien zählen nämlich zu den diesjährigen Börsenüberfliegern.
Während die Valoren von Galderma im Zuge solider Quartalsumsatzzahlen und einer – wenn auch nicht überraschenden – Erhöhung der Jahresziele gefragt waren, verlieh jenen von Montana Aerospace eine Unternehmensstudie der Zürcher Kantonalbank regelrecht Flügel.
Der Studienautor Christian Bader stuft die Aktien des Zulieferers für die Flugzeug- und Rüstungsindustrie von «Marktgewichten» auf «Übergewichten» herauf. Und um seiner frisch gewonnenen Zuversicht Nachdruck zu verleihen, veranschlagt der Analyst neuerdings einen fairen Aktienkurs von 40 Franken. Die letzte mir bekannte Berechnung Baders reicht knapp ein Jahr zurück und lieferte einen fairen Wert von gerade einmal 22,50 Franken je Titel.
Die Aktien von Montana Aerospace blicken auf einen beindruckenden Höhenflug zurück (Quelle: www.cash.ch)
Wie der Analyst schreibt, dürfte Montana Aerospace dank der attraktiven Absatzmärkte und des einzigartigen Geschäftsmodells bis Ende 2028 durchschnittlich 40 Prozent im Jahr wachsen. Mit dem Verkauf des Geschäftsbereichs «Energy» werde das Unternehmen zum reinen Luftfahrtzulieferer, was für eine Neubewertung spreche.
Rückblickend kommt diese Einsicht reichlich spät, preisen andere Berufskollegen wie jene von Kepler Cheuvreux, Oddo oder der Berenberg Bank die Aktien von Montana Aerospace doch schon seit langen Monaten zum Kauf an.
Eine nicht weniger spektakuläre Kurszielerhöhung nahm vor wenigen Tagen der Jefferies-Analyst Philip Klett vor. In einer zehn Seiten starken Unternehmensstudie zu Swiss Re passte er sein Kursziel mal eben schnell auf 130 (zuvor 99) Franken an – wobei er am «Hold» lautenden Anlageurteil festhielt.
Diese Anpassung wirft gleich zwei Fragen auf. Zum einen liess sich Klett fast zwei lange Jahre Zeit, bis er endlich seine Hausaufgaben machte und das Bewertungsmodell für den Rückversicherer aus Zürich grundlegend überarbeitete.
Und zum anderen liegt seine neue Prognose mehr als zwölf Prozent unter den zuletzt bezahlten Kursen. Vor diesem Hintergrund wäre eine Verkaufsempfehlung eigentlich das ehrlichere Anlageurteil – umso mehr, als dass der Jefferies-Analyst die Rückversicherungsindustrie in einem zyklisch bedingten Hoch wähnt und aufgrund ausgebliebener Grosskatastrophen künftig mit Druck auf die Prämienansätze rechnet.
Den dicken Rotstift angesetzt haben hingegen Kepler Cheuvreux und Research Partners. Im Hinblick auf den anstehenden Zwischenbericht fürs dritte Quartal streicht der für Kepler Cheuvreux tätige Chefanalyst Torsten Sauter seine Gewinnschätzungen für die SIG Group um bis zu 26 Prozent zusammen. Auf die überarbeiteten Annahmen abgestützt, errechnet sich gerade noch ein Kursziel von 9 (zuvor 17,50) Franken für die auch weiterhin nur mit «Hold» eingestuften Aktien. Sauter begründet seine Zurückhaltung mit den vielen offenen Baustellen beim Verpackungsmaschinenhersteller.
Sein Berufskollege Eugen Perger beim Nebenwertespezialisten Research Partners sah sich bei Rieter veranlasst, die Notbremse zu ziehen. Nach der Zahlenenttäuschung und der überraschenden Senkung des diesjährigen Umsatzziels stuft er die Aktien des Textilmaschinenherstellers von «Kaufen» auf «Halten». Das überarbeitete Kursziel lautet 3,50 (zuvor 5) Franken.
Wenn man mich fragt, stehen uns in den kommenden Wochen weitere üppige Kurszielanpassungen ins Haus. Denn eine günstigere Gelegenheit als die angelaufene Unternehmensberichterstattung wird es aus Analystensicht vermutlich nicht geben.
Blicken wir an dieser Stelle doch auch noch auf die Verliererliste der Woche. Dort findet man ebenfalls bekannte Namen. So wird die undankbare Rolle des Schlusslichts etwa Meyer Burger (-29 Prozent) zuteil. Ebenfalls Federn lassen mussten die Aktien von DocMorris (-13 Prozent), Lem (-7 Prozent) oder BioVersys (-5 Prozent).
Auf eine «Woche zum Vergessen» blicken die Aktionärinnen und Aktionäre von DocMorris zurück. Mittlerweile kosten die Valoren der Versandapotheke keine 5,75 Franken mehr. Dort liegt der Bezugspreis der erst im Frühsommer vollzogenen Kapitalerhöhung. Mit anderen Worten: Wer damals dem schlechten Geld gutes hinterherwarf, ist nun auch auf diesen Aktien in den Miesen.
Eigentlich sollte ein Teil der 200 Millionen Franken schweren Kapitalerhöhung ja in die Rückzahlung der bis September nächsten Jahres laufenden und mit knapp 7 Prozent verzinsten Wandelanleihe in Höhe von 95 Millionen Franken fliessen. Umso überraschter war ich – und ich dürfte nicht alleine gewesen sein – als das Unternehmen diesen Mittwoch eine neue Wandelanleihe auflegte, um den vorzeitigen Rückkauf der besagten Anleihe stemmen zu können.
Schon seit Jahren kennen die DocMorris-Aktien nur eine Richtung: Die nach unten (Quelle: www.cash.ch)
Etwas vereinfacht liesse sich sagen, dass sich das Unternehmen den tieferen Zinscoupons von 3 Prozent der neuen Wandelanleihe mit einem tieferen Wandelpreis von 6,54 Franken je Aktie erkauft hat. Zum Vergleich: Der Wandelpreis der bis nächsten September laufenden Anleihe beträgt 24,25 Franken je Aktie.
Der Kurszerfall der letzten Tage dürfte einem «Handelsblatt»-Artikel geschuldet sein. Wie die Autoren darin schreiben, liebäugeln in Deutschland gleich mehrere finanzstarke Anbieter mit einem Einstieg ins Online-Apothekengeschäft. Namentlich genannt werden etwa die Drogeriekette Rossmann oder der Detailhandelsriese Lidl. Der Rossmann-Rivale dm hegt bekanntlich ebenfalls solche Ambitionen.
Ausserdem ging bei der Rivalin Redcare Pharmacy eine einstweilige Verfügung der Apothekerkammer Nordrhein wegen einem irreführenden Werbespot mit der TV-Legende Günter Jauch ein. Im Spot verspricht die Versandapotheke Rabatte auf «Zuzahlungen und mitbestellte Produkte», verschweigt dabei aber, dass das nicht für nicht-verschreibungspflichtige Medikamente gilt. Mit anderen Worten: Die Apothekerinnen und Apotheker geben ihre Pfründe nicht kampflos her...
Dass sich bei DocMorris ein nicht namentlich bekannter Verwaltungsrat zuletzt mit Aktien im Wert von knapp 110'000 Franken eindeckte, ist zwar durchaus zu begrüssen. Ob die Transaktionsgrösse ausreicht, um wirklich ein Zeichen zu setzen, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Mein persönliches Interesse galt diese Woche ganz den Quartalsumsatzzahlen von Roche. Mit einem Gruppenumsatz von 14,9 Milliarden Franken schrammten die Basler zwischen Anfang Juli und Ende September zwar nur knapp an den von Analysten durchschnittlich erwarteten 15,1 Milliarden Franken vorbei. Ausserdem hatte man eine – wenn auch nicht ganz unerwartete - Erhöhung der diesjährigen Gewinnvorgaben mit im Gepäck.
Bei genauerem Hinschauen fällt auf, dass sich im dritten Quartal vor allem Rituxan, Avastin und Herceptin besser als erwartet verkauften. Da der Patentschutz dieser drei Krebswirkstoffe abgelaufen ist, nagen schon seit längerer Zeit günstigere Nachahmerpräparate an den Umsätzen. Auch Xolair wusste zu überzeugen, wobei dieses Medikament bekanntlich starken Nachfrageschwankungen unterliegt und als ziemlich «launisch» gilt.
Im Gegenzug trugen künftige Wachstumstreiber wie das Augenmittel Vabysmo, das Blutermedikament Hemlibra oder das MS-Mittel Ocrevus weniger als erhofft zum Gruppenumsatz bei.
Die Investors-Relations-Abteilung war denn auch sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. Wie aus einem Kommentar des UBS-Pharmaanalysten Matthew Weston hervorgeht, erklären sich die enttäuschenden Verkaufszahlen bei Vabysmo mit einer geringeren finanziellen Unterstützung für amerikanische Patienten. Bei Roche zeigt man sich jedoch zuversichtlich, dass die Finanzierung durch die Charitable Access Foundation solche Patienten ab dem kommenden Jahr wieder unterstützen wird.
Und auch in Sachen Ocrevus gibt man sich in Basel entspannt. Die Marktexpansion der subkutan verabreichten Version des MS-Mittels schreite gut voran. Das Unternehmen bedingt sich aber noch etwas mehr Zeit aus, um die Neurologen für diese Version gewinnen zu können. Das berichtet zumindest der UBS-Analyst. Er stuft die Genussscheine denn auch wie bis anhin mit «Buy» und einem Zwölf-Monats-Kursziel von 314 Franken ein.
Aus meiner Sicht ist es eher ungewöhnlich, dass Roche die Gewinnvorgaben zu dieser Zeit des Jahres anpasst. Dass die Börse gestern Donnerstag unterkühlt drauf reagierte, lässt sich übrigens damit erklären, dass die diesjährigen Schätzungen der Analysten bereits etwas über den ursprünglichen Zielen liegen. Mit anderen Worten: Die «Beruhigungspille» vom Donnerstag entfaltete in etwa eine ähnliche Wirkung wie Placebo.
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