Ab dieser Woche wird es nach einer wochenlangen Newsarmut am Schweizer Aktienmarkt wieder lebendiger. Die Zahlen zum ersten Semester 2019 stehen an. Und die haben es wohl in sich: "Die Zahlensaison könnte den SMI ein paar hundert Punkte kosten", sagt Patrick Fehr, Fondsmanager von Falcon Private Bank, auf cash-Anfrage.

Als möglicher Treiber für negative Überraschungen sieht Fehr eine verschlechterte Gewinndynamik bei Schweizer Firmen, bei einem bereits starken Anstieg der Schweizer Börse. Das globale Wirtschafsumfeld trübe sich ein, hinzu komme ein im ersten Halbjahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr stärkerer Franken. Als Vergleich: Im ersten Halbjahr 2019 lag der Euro-Franken-Kurs im Schnitt bei leicht unter 1,13, im gleichen Vorjahreszeitraum war er noch bei 1,17.

Den Anfang der Zahlensaison werden diese Woche Klingelnberg (Dienstag, allerdings Ganzjahreszahlen 2018/19), Hypo Lenzburg (Mittwoch), Bossard (Donnerstag) und Ems-Chemie (Freitag) machen. Bei den SMI-Werten beginnt der grosse Ergebnisregen dann am 18. Juli, gleich mit Zahlen von NovartisRichemont, Givaudan und SGS (für Übersicht SMI-Titel, siehe Tabelle am Artikelende).

Top-Performer mit hohem Erwartungsdruck

Grundsätzlich ist die Erwartungshaltung vor allem bei jenen Firmen gross, die bereits eine sehr starke Kursperformance ablieferten: Das sind in erster Linie Sika, Richemont, Lonza, Swiss Life und Nestle - sie alle haben seit Jahresbeginn um die 30 Prozent zulegen können. Hier gilt: Wer nicht liefert, wird abgestraft.

Bei Nestlé etwa: Die Aktie notiert bei 103 Franken und somit auf Allzeithoch, die Erwartungshaltung wird  immer höher (cash Insider berichtete). Beim organischen Umsatzwachstum und bei den Margen seien Überraschungen möglich, schrieb die US-Bank Jeffries vergangene Woche. Zudem sei ein Aktienrückkaufprogramm über die nächsten drei Jahre für zusätzliche 20 Milliarden Franken denkbar, welches den Gewinn verdichten würde. Gemäss der Luzerner Kantonalbank (LUKB) seien die Erwartungen der Marktteilnehmer bei Nestlé inzwischen bereits so hoch, dass bereits eine Punktlandung zu einer Kursenttäuschung führen könnte. Eine Korrektur zeichnet sich ab.

Auf Rekordständen befindet sich auch die Swiss-Life-Aktie. Auf 52-Wochen-Sicht ist es sogar der beste SMI-Titel, mit plus 42 Prozent. Versicherungsaktien sind generell im Trend und werden auch von ausländischen Investoren vermehrt als sicherer Hafen angesteuert. Doch Swiss Life ist noch einen Tick beliebter als die Konkurrenz. Grosse Enttäuschungen zeichnen sich bei den Zahlen nicht ab: "Versicherer dürften einen verhalten positiven Ausblick bestätigen", so Cédric Spahr, Aktienstratege bei der Bank J. Safra Sarasin, zu cash.

Die möglichen Überraschungskandidaten

Doch solche News sind im Rahmen der Erwartungen und dürften den Kurs der entsprechenden Aktie kaum gross treiben. Doch wo sind dicke Überraschungen möglich? Gemäss Spahr dürften gerade Unternehmen mit einer starken Eigendynamik, wie Geberit und Sika, der flauen Konjunktur in Europa trotzen. Gerade Sika trauen Analysten noch viel zu: Vergangene Woche hat etwa Jeffries das Kursziel auf 192 Franken gesetzt - das ist fast 18 Prozent über dem aktuellen Kurs.

Und es gibt noch einen weiteren Kandidaten mit Luft nach oben:  "Bei Swatch wird ein schwaches Resultat erwartet, was unseres Erachtens Raum für eine positive Überraschung bietet", schreiben Marco Estermann und Martin Betschart, beide Finanzanalysten bei der LUKB. Dies unter der Annahme, dass die Produktionsengpässe bei gewissen Teilen - unter anderem bei den Zifferblättern -  relativ früh im Jahr gelöst werden konnten. Betroffen davon waren die umsatzstarken Marken Omega und Longines. Zuletzt war zudem auch bei den Uhrenexporten ein positiver Trend spürbar.

Als grosse Wundertüte gilt ABB. Zwar sind keine grossen operativen Sprünge zu erwarten, die Margen dürften weiterhin unter Druck bleiben. Doch könnte sich an der Personalfront etwas tun: Nach dem überraschenden Abgang des langjährigen CEO Ulrich Spiesshofer im April könnte ein neuer Firmenchef vorgestellt werden und je nachdem für Kursfantasien sorgen. Als mögliche Kandidaten gelten etwa Sulzer-Chef Greg Poux-Guillaume oder Volvo-CEO Martin Lundstedt.

Adecco mit Enttäuschung?

Gemäss Spahr von Safra Sarasin könnte sich in den USA und anderswo die Nachfrage nach temporären Arbeitskräften eintrüben, was Adecco belasten würde. Mit plus 24 Prozent seit Jahresbeginn macht der Personalvermittler an der Börse derzeit eine gute Figur, allerdings ist der Titel stark zyklisch und für seine Launen bekannt. Zudem glaubt Spahr, dass Unternehmen, die stark in aufstrebenden Volkswirtschaften aktiv sind, ihren Ausblick leicht gegen unten anpassen könnten. Diese Überlegungen gelten etwa für Unternehmen wie SGS oder LafargeHolcim.

Einig sind sich die von cash befragten Experten bei den Bankentiteln: Trotz einer einmal mehr mageren Kurs-Performance von UBS und Credit Suisse traut ihnen keiner eine positive Überraschung zu. Die anhaltend tiefen Zinsen dürften sich weiterhin negativ auf die Ergebnisse auswirken.

SMI-Unternehmen und ihre Bilanzvorlagen in den nächsten Wochen

TitelDatumPerformance seit 1.1.2019Prognose für Zahlen
Novartis18.07.+22%Im Rahmen der Erwartungen
Richemont*18.07+31%Im Rahmen der Erwartungen
Givaudan18.07.+20%Im Rahmen der Erwartungen
SGS18.07.+12%Enttäuschend
UBS23.07.-2%Im Rahmen der Erwartungen
Lonza24.07.+30%Leicht enttäuschend
ABB25.07.+3%Positiv
Roche25.07.+15%Im Rahmen der Erwartungen
Sika25.07.+33%Positiv
Nestlé26.07.+29%Enttäuschend
Credit Suisse31.07.+12%Im Rahmen der Erwartungen
LafargeHolcim31.07.+19%Enttäuschend
Swiss Re31.07.+12%Im Rahmen der Erwartungen
SwatchEnde Juli-3%Positiv
Zurich08.08.+18%Im Rahmen der Erwartungen
Adecco08.08.+24%Enttäuschend
Swiss Life13.08.+29%Im Rahmen der Erwartungen
Geberit15.08.+20%Positiv
Swisscom15.08.+5%Im Rahmen der Erwartungen
AlconZweite Augusthälfte+5% (Kurs seit Abspaltung am 9.4.19)Im Rahmen der Erwartungen

*Richemont mit Trading Update erstes Quartal (Geschäftsjahr endet im März) 
Daten: AWP und cash.ch