In Zeiten überdurchschnittlich hoher Marktvolatilität aufgrund geldpolitischer Straffung und konjunktureller Unsicherheit sind renditestarke Dividendentitel für Anlegerinnen und Anleger interessant. Sie bieten ein regelmässiges passives Einkommen. Gleichzeitig sichern diese das Portfolio im Normalfall gegen unten ab.

Denn Unternehmen, die über Jahre grosszügig Dividenden ausschütten, verfügen meist über eine solide Bilanz mit vergleichsweise hohen Eigenkapitalquoten, einer niedrigen Verschuldung und einer guten Cash-Position.

Gute Dividendenzahler finden Anlegerinnen und Anleger dabei nicht nur in der Schweiz (cash.ch hat hier über die ausschüttungsstärksten Titel berichtet), sondern, wie untenstehende Tabelle zeigt, auch im restlichen Westeuropa.

Eine Richtzahl ist die Dividendenrendite. Sie errechnet sich mit der Dividende pro Aktie eines Unternehmens geteilt durch den Kurspreis der Aktie. Diese Kennzahl ist mit der Marktkorrektur von 2022 weltweit angestiegen. Von den 295 westeuropäischen Large-Cap-Unternehmen - Marktkapitalisierung von mehr als 10 Milliarden Dollar - bieten die 30 besten Dividendenzahler eine Ausschüttungsrendite von mehr als 6 Prozent.

Transport und Logistik: Hohe Dividende, aber getrübte Aussichten

Die mit Abstand beste Dividendenrendite bieten die zwei Transport- und Logistikunternehmen Hapag-Lloyd (19 Prozent) und A. P. Møller-Mærsk (17 Prozent). Mit ein Grund für diese starke Positionierung sind die überdurchschnittlich starken Kursverluste von mindestens 29 Prozent in den letzten zwölf Monaten, was auch die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) bei beiden Titeln auf unter 2 (!) gedrückt hat. Goldman Sachs prognostiziert, dass die Luft- und Seefracht in einen "mehrjährigen Abschwung" eingetreten ist. Die Kurse könnten daher gut noch weiter korrigieren und die hohen Dividendenrenditen relativieren.

Dieser Ausblick trifft nicht auf das italienische Logistik- und Postunternehmen Poste Italiane zu, das mehrheitlich in Staatsbesitz ist. Einerseits verfügt dieses trotz Liberalisierung noch über eine monopolartige Stellung in Italien. Andererseits bietet das Unternehmen an den rund 13'000 Zweigstellen auch Versicherungs-, Bank- und Telekommunikationsdienstleistungen an. Die zuletzt aufstrebende Aktie sehen die von Bloomberg befragten Analysten nochmals 22 Prozent höher - zwölf von 17 empfehlen den Titel zum Kauf.

Die aktuell höchsten Dividendenrenditen von Europäischen Big-Cap-Aktien

Aktie Dividendenrendite Aktie

Dividendenrendite

Hapag-Lloyd 18,8 Prozent Stellantis 7,1 Prozent
A. P. Møller-Mærsk 17,0 Prozent British American Tobacco 7,1 Prozent
Crédit Agricole 10,0 Prozent Orange 7,1 Prozent
Aviva 9,8 Prozent Imperial Brands 7,0 Prozent
Vodafone Group 8,8 Prozent Enel 7,0 Prozent
Telenor 8,6 Prozent Société Générale 6,8 Prozent
Rio Tinto 8,6 Prozent BASF 6,6 Prozent
Telefónica 8,4 Prozent Yara International 6,6 Prozent
Fortum 7,8 Prozent NN Group 6,5 Prozent
Telia Company 7,7 Prozent ABN AMRO 6,4 Prozent
Endesa 7,7 Prozent Engie 6,4 Prozent
Legal & General 7,5 Prozent Vonovia 6,4 Prozent
Mercedes-Benz 7,3 Prozent BMW 6,4 Prozent
Aker BP 7,2 Prozent Poste Italiane 6,4 Prozent
Amundi 7,1 Prozent BNP Paribas 6,3 Prozent

Daten: Bloomberg.

Unter den westeuropäischen Grossbanken sind Crédit Agricole (10 Prozent), Société Générale (6,8 Prozent), ABN AMRO (6,4 Prozent) und BNP Paribas (6,3 Prozent) die grosszügigsten Dividendenzahler. In einem Marktumfeld, das von steigenden Zinsen dominiert wird, dürften auch die Kurse im weiteren Jahresverlauf ansteigen.

Das grösste Kurspotenzial sehen die Analysten im Schnitt mit plus 36 Prozent bei der französischen Grossbank Société Générale. Diese positive Einschätzung könnte dann eingetrübt werden, wenn Europa klar in eine Rezession abrutscht und dadurch Konsumenten weniger ausgeben und viele einen Teil ihrer Kreditschulden notleidend nicht mehr bedienen können. Bank-Aktien zählen schlussendlich zu den zyklischen Wertpapieren.

Auch der deutsche Chemiekonzern BASF, der mit einer Dividendenrendite von 6,6 Prozent aufwartet, unterliegt dem Konjunkturzyklus. Doch 2022 ist die Aktie hauptsächlich wegen der steigenden Energiepreise abgestürzt. Die zuletzt gesunkenen Preise für Gas und Öl haben den Titel befeuert. Entschärft sich die Situation an der Rohstofffront weiter, winken Anlegerinnen und Anleger nicht nur eine hohe Dividende, sondern auch positive Kursrenditen. Gleiches gilt für den norwegischen Chemiekonzern Yara International (6,6 Prozent), der zu gut einem Drittel vom Staat kontrolliert wird.

Versicherer, Telekommunikationskonzerne und Energieversorger für die Defensive

Wie in der Schweiz gilt auch grundsätzlich in Resteuropa: Wer nach soliden und zuverlässigen Dividendenzahlern Ausschau hält, landet schnell bei den grossen Versicherern und Telekomkonzernen. Unter ersteren sehen Analysten mit einem Aktienkauf beim niederländischen Konzern NN Group (6,5 Prozent) das grösste Potenzial, während die britischen Pendants Aviva (9,8 Prozent) und Legal & General (7,5 Prozent) eher mutigere Wetten darstellen. Mit einem KGV von 5 bietet das in Den Haag beheimatete und 2022 stark korrigierte NN Group auch einen Schutz gegen weitere Kursverluste, während steigende Zinsen die Ertragsbasis stärken dürften.

Unter den Telekommunikationsunternehmen haben auf Jahressicht Orange und Telefónica ihre defensive Stärke unter Beweis gestellt. Vodafone Group, Telenor und Telia Company haben gleichzeitig bis zu 38 Prozent eingebüsst. Der französische Telekommunikationskonzern Orange bietet mit einem KGV von 7 nicht nur eine tiefe Bewertung, sondern punktet auch mit guten Geschäften in Afrika und dem Nahen Osten.

Während sich Orange auch für sehr konservative Gemüter eignet, bieten sich Anlegerinnen und Anleger auch Investments in das spanische Telefónica oder das britische Vodafone Group an: Beide international tätigen Telekommunikationskonzerne dürften von den angekündigten Preiserhöhungen profitieren, nachdem steigende Energiepreise den Sektor im letzten Jahr unter Druck gesetzt haben.

Auch das Geschäft mit der Energie ist ziemlich konjunkturresistent, was Versorger als Langfristanlage interessant macht. Gut, wenn diese wie Fortum (7,8 Prozent), Endesa (7,7 Prozent), Enel (7,0 Prozent) oder Engie (6,4 Prozent) auch hohe Ausschüttungsrenditen bieten.

Da der finnische Konzern Fortum noch unter dem Uniper-Schlamassel leidet und das italienische Enel eher hoch bewertet ist, bieten sich eher das spanische Endesa und der französische Gigant Engie als Investment an. Beide Aktien stehen auf Jahressicht nur minimal im Minus, wobei das Sentiment bei Engie besser ist. Alle 20 von Bloomberg befragten Analysten empfehlen den Titel zum Kauf und sehen diesen durchschnittlich 33 Prozent höher.

Autobauer: Mercedes-Benz als Premium-Aktie, Stellantis bietet Fantasie

Wohl eher überraschend ist die Tatsache, dass unter den dreissig europäischen Large Caps mit der grössten Dividendenrendite mit Mercedes-Benz (7,3 Prozent), Stellantis (7,1 Prozent) und BMW (6,4 Prozent) auch drei Autobauer vorzufinden sind. Dank einer Kurserholung seit Anfang Oktober haben insbesondere die deutschen Hersteller das Minus auf Jahressicht auf unter 10 Prozent gedrückt. Beide Premium-Autobauer haben zwar wegen Lieferengpässen letztes Jahr weniger Fahrzeuge verkauft, kamen aber hinsichtlich der Marktanteile bei den Elektroautos voran. Bei der Kursrendite wird von den Analysten Mercedes-Benz aber das grössere Potenzial zugestanden.

Stellantis, das aus der Fusion von Fiat-Chrysler und Peugeot-Citroën hervorgegangen ist, beitet zwar mehr Risiko, aber auch mehr Fantasie. Gleich 45 Prozent sehen die Analysten die Aktie im Schnitt höher. Der Konzern, der auch als Restrukturierungsgeschichte gilt, investiert in Flugtaxis und ist ein Vorreiter im Bereich Wasserstoff-Mobilität.

Gleichzeitig treibt Stellantis eine Software-Grossoffensive voran, indem zunehmend Umsatz durch Abonnoments generiert werden soll. Dazu ist CEO Carlos Tavares strategeische Partnerschaften mit dem iPhone-Hersteller Foxconn und der Alphabet-Tochter Waymo eingegangen.

 

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