Für Anleger ist es derzeit wahrlich nicht einfach. Einerseits herrscht vielerorts wieder zunehmend Angst vor steigenden Coronavirus-Infektionszahlen und den damit verbundenen Konjunkturrisiken. Insbesondere in den USA hat sich die Lage wieder dramatisch verschlechtert. Erstmals seit Beginn der Virus-Pandemie sind in der vergangenen Woche über 50'000 Neuinfektionen an einem Tag verzeichnet worden. Die Infektionszahlen überschreiten die Höchststände vom April und Mai.

Andererseits zeigen die wirtschaftlichen Vorlaufindikatoren, dass die Unternehmen langsam wieder optimistischer in die Zukunft schauen. So signalisiert der vorlaufende Indikator der US-Industrie mit dem Sprung über die Wachstumsschwelle von 50 Punkten sogar eine Expansion, also ein positives Wirtschaftswachstum.

Auch die Einkaufsmanagerindizes auf europäischer Ebene sind letzte Woche überraschend positiv aufgefallen. Der PMI Composite der Euro-Zone stieg im Juni von 31,9 auf 48,5 Punkte an. Das ist der zweitstärkste Anstieg in der Geschichte der Umfrage.

Schweizer Berichtssaison soll Klarheit bringen

Was bedeutet das für die Schweizer Wirtschaft und der diese Woche angelaufenen Berichtssaison? Am Montag machten Geberit und Sonova den Anfang. Bei beiden fielen die Umsatzzahlen für das zweite Quartal besser aus als erwartet. Der Hörsystemehersteller Sonova meldete gar eine kräftige Geschäftsbelebung in den letzten Wochen.

Im Lauf dieser Woche folgen unter anderem noch Ems Chemie und Barry Callebaut, bevor nächste Woche weitere Mid-Caps wie Orior, Temenos, Rieter und Bossard an der Reihe sind. Übernächste Woche geht es dann richtig los mit den Zahlen von Novartis, Roche, UBS, ABB, Sika und Lonza.

Für Peter Bänziger, Anlagechef der Belvalor Vermögensbetreuung, wird sich in dieser Berichtssaison die Spreu vom Weizen trennen. "Es wird sich stark spalten zwischen den Gewinnern der Krise, denjenigen die weniger schlecht als befürchtet abschneiden und Unternehmen, die länger und stärker unter den Folgen der Krise leiden werden", sagt Bänziger im Gespräch mit cash. Dabei komme es vor allem darauf an, welchen Ausblick die Firmen geben würden. "Der Markt hat die Vergangenheit abgehakt und versucht, in die Zukunft zu schauen." 

Die Corona-bedingten Umsatz- und Gewinnrückgänge sind überwiegend in den Kursen eingepreist, wie Bänziger sagt. Die Gewinnschätzungen für 2021 wiederum hält er für optimistisch. Er warnt davor, dass dies noch zu Enttäuschungen führen kann. 

Mögliche Gewinner und Verlierer

Als mögliche Gewinner der Berichtssaison sieht Bänziger die "Klassiker" wie Roche, Novartis oder Nestlé. Gut positioniert sind auch Unternehmen, die von einem "Nachholeffekt" profitieren können: Hier sieht der Belvalor-Anlagechef Unternehmen wie Schindler oder Geberit im Vorteil. Geberit veröffentlich im August seine Gewinnzahlen.

"Positiv auffallen könnten auch die Versicherungen, weil sie von der Erholung an den Kapitalmärkten profitieren werden", vermutet Bänziger. Problematischer sieht er die Autobranche und ihre Zulieferer: Auch wenn grosse Autohersteller wie Volkswagen wieder langsam auf Kurs seien, bleibe die Unsicherheit in der Zuliefererbranche hoch.

«Plan for the worst, but hope for the best»

Viele Anleger hoffen auf eine "Toleranz" des Marktes. Dies zeigte sich am vergangenen Montag bereits bei den Zahlen von Geberit: Der etwas besser als erwartete Halbjahresumsatz verursachte kaum Kursreaktionen an der Börse.

Stefan Frischknecht, Leiter Aktien Schweiz beim Vermögensverwalter Schroders, geht von dieser Toleranz aus und ist insgesamt vorsichtig optimistisch, was die Berichtssaison angeht. Er sieht bei den insgesamt unsicheren wirtschaftlichen Daten vereinzelt negative Ausreisser. Bei den Erwartungen brauche es "viel Streubreite". 

"In der Tendenz erwarte ich eher positive Überraschungen", sagt Frischknecht auf Anfrage von cash. Dies, weil man von Unternehmensseite die Erwartungen im April und Mai bereits extrem zurückgefahren habe, worauf die Analysten ihre Ziele folgerichtig nach unten angepasst hätten. "Das war ganz nach dem Motto: 'Plan for the worst, but hope for the best.'"

Für Frischknecht spricht aber noch ein weiterer Punkt gegen allzu grosse Verwerfungen: "Wenn die publizierten Zahlen ein oder zwei Prozent von den Erwartungen abweichen, sorgt das normalerweise für deutliche Kursreaktionen. Das wird in dieser Berichtsaison anders sein." Es brauche diesmal grössere Abweichungen als sonst, damit die Aktienkurse spürbar reagierten.

Aktien weiterhin gestützt von Geld- und Fiskalpolitik

Ebenfalls eher positiv gestimmt sind die Analysten der St. Galler Kantonalbank (SGKB). Allzu präzise Aussagen von den Unternehmen zur Zukunft dürfte es eher nicht geben. Auch dürften die Unternehmen insgesamt die Risiken betonen. "In Summe" geht die SGKB bei den Prognosen aber eher von einem optimistischen Bild aus.

"Darum und dank einer expansiven Geldpolitik und der unterstützenden Fiskalpolitik bleiben Aktien weiterhin ein vielversprechendes Investment", so die SGKB-Analysten. Im Hinblick auf die Erholung 2021 empfehlen die St. Galler insbesondere zyklische und konjunktursensitive Sektoren.

Schweizer Firmen mit Zahlen-Publikation im Juli und August (Auswahl)

TitelDatum Zahlen
Barry Callebaut9. Juli
Ems-Chemie10. Juli
Orior14. Juli
Temenos15. Juli
Bossard15. Juli
DKSH15. Juli
Richemont16. Juli
Rieter16. Juli
Julius Bär20. Juli
Givaudan21. Juli
Kühne + Nagel21. Juli
SGS21. Juli
UBS21. Juli
Lindt & Sprüngli21. Juli
Logitech21. Juli
ABB22. Juli
Medacta22. Juli
Valora22. Juli
Roche23. Juli
Sika23. Juli
Cembra23. Juli
Idorsia23. Juli
Lonza24. Juli
Schindler24. Juli
BB Biotech24. Juli
Sulzer24. Juli
Bobst27. Juli
Autoneum28. Juli
Vontobel28. Juli
SIG Combibloc28. Juli
AMS29. Juli
Clariant30. Juli
Credit Suisse30. Juli
LafargeHolcim30. Juli
Nestlé30. Juli
Bucher30. Juli
Bellevue30. Juli
Cosmo30. Juli
Swiss Re31. Juli
Mobimo31. Juli
LM Group31. Juli
Dufry03. August
Interroll03. August

Quellen: AWP und cash