Seit Jahresbeginn hat sich die Schweizer Börse gemessen am Swiss Market Index (SMI) mit einem Kursplus von 2 Prozent dank einem Aufbäumen in den vergangenen vier Wochen im positiven Bereich gehalten. Ob das Börsenbarometer in den nächsten Monaten wieder höher geht, hängt vor allem davon ab, ob ein "Soft Landing" in den USA gelingt - und wann die Leitzinsen gesenkt werden. Eine Umfrage von cash.ch bei sechs Fondsmanagern zeigt, dass beim Markt- und Konjunkturausblick in der Tendenz Optimismus vorherrscht.

Trotz hoher Zinsen, rückläufiger Wirtschaftsindikatoren, geopolitischer Unsicherheiten und der unsicheren Marktlage wird eher zugekauft respektive auf Chancen gewartet. Denn der Schweizer Markt verfügt über viele qualitativ gute Unternehmen mit soliden Bilanzen. Die Börsenspezialisten haben aber auch verkauft und meiden einige Titel. Der Überblick:

Birgitte Olsen, Bellevue Entrepreneur Switzerland Fund, Bellevue Asset Management:

Die Abschwächung der Makrodaten und die sich deutlicher abzeichnenden disinflationären Tendenzen untermauern für Birgitte Olsen die Erwartung, dass die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Zinserhöhungszyklus abgeschlossen haben. “Diese Stabilisierung ist positiv für die Aktienmärkte, insbesondere Small- und Mid-Caps”, sagt die Fondsmanagerin auf Anfrage von cash.ch. In diesem Umfeld hat sie bei VAT und Swissquote in der Oktober-Schwäche aufgestockt. Die Wachstumsperspektiven der beiden Unternehmen seien intakt und deren gute Positionierung und innovative Dynamik ein Pluspunkt.

Auf der Seitenlinie verbleibt die Fondsmanagerin noch bei LEM, deren Aktien “ein Super-Kandidat sind, den man fast 'blind' in einer übertriebenen Schwäche kaufen kann.” Elektrifizierung und grüne Mobilität seien strukturelle Wachstumstreiber für den Sensor-Nischenanbieter. Olsen schätzt die exzellente Arbeit des Managementteams und das sehr profitable Geschäftsmodell. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 27 sei zwar nicht günstig, aber dafür bekomme man ein überdurchschnittliches Umsatzwachstum, EBIT-Margen von mehr als 20 Prozent und eine Rendite auf das gebundene Kapital (ROCE) von mehr als 30 Prozent.

Als bevorzugter Einzelwert hebt Olsen Swissquote hervor. Aus ihrer Position als führende Schweizer Online-Handelsplattform habe sich Swissquote zu einer diversifizierten digitalen Bankengruppe entwickelt. Die Produkt- und Dienstleistungspalette wird ständig erweitert. Auch geografisch, mit der Präsenz in Luxemburg und Singapur, hat sich die Gruppe diversifiziert. “Starke Marke, ein wachsender Kundenstamm, gute Wachstumsdynamik - für uns neben VZ eine echte Alternative zu den hiesigen Bankentitel”, argumentiert Olsen.

Marc Possa, VV Vermögensverwaltung, "SaraSelect":

Für Marc Possa suchen die Märkte wegen den global rückläufigen Inflationsraten, welche auch die Zinsanstiege der letzten Jahre partiell rückgängig machen, derzeit ein neues Gleichgewicht. Dies sei grundsätzlich gut für die Aktienmärkte, welche von rückläufigen Zinsen profitieren sollten, da dies bei gleichbleibenden Gewinnen zu einer gewissen Expansion der Bewertungen führen sollte. “Die Frage ist deshalb, wie stark die durch die gestiegenen Zinsen induzierte makroökonomische Verlangsamung sein wird”, führt der Fondsmanager gegenüber cash.ch aus.

Possa erwartet weiter negative Schlagzeilen von der makroökonomischen Front. Die Inflationsbekämpfung dürfte vor allem in den USA weitergehen, dies immer mit dem Risiko einer harten Landung. In diesem Umfeld hat er Aktien verschiedener Marktführer gekauft, welche dank starkem strukturellen Wachstums nicht zu sehr von einer Verlangsamung betroffen sein sollten.

“Wir erhöhten unsere Überzeugungspositionen in Skan, Bachem, Dottikon, Forbo, AMS Osram und haben nach dem Kapitalmarkttag auch angefangen, auf tieferen Niveaus eine Position SIG Combibloc aufzubauen”, sagt Possa. Der Trend des Re- bzw. Near shorings werde vielen dieser industriell aufgestellten Firmen helfen, müssen doch Infrastrukturen um China herum aufgebaut werden.

Ein No-go sind für Possa weiterhin Firmen wie Kudelski oder Leclanché, welche weder über ein gutes Management noch über Alleinstellungsmerkmale verfügen - dies ganz unabhängig der aktuellen Bewertung. “Die grossen Marktverzerrungen und Fehlallokationen der letzten Jahre werden allmählich korrigiert werden. Es wird ein schmerzlicher Anpassungsprozess sein, dem gewisse schwache Firmen zu Opfer fallen werden”, so Possa. Im Portfoliokontext sei wichtig, dass es einen gewissen Ausgleich der Treiber gibt. So hat Possa auch defensivere Positionen in Bell, SIG und Also, welche die stark strukturell wachsenden Bachems, Skans und Ypsomeds im Portfolio gut ergänzen würden.

Marc Strub, Leiter Portfolio Management Reichmuth & Co:

“In den USA scheint die von vielen erwartete Rezession noch weit weg zu sein, Europa dagegen befindet sich bereits in einer und wir sehen keine schnelle Wende”, sagt Marc Strub gegenüber cash.ch. Obwohl der Aktienmarkt heute eine weiche Landung in den USA einpreise, bleibt die Zinskurve noch immer invertiert. Komme es nicht zu einer stärkeren Rezession, erwartet Strub weiterhin strukturell höhere Langfristzinsen. Dies, da die Zentralbanken nach Jahren der Bilanzausweitung und Zukäufen von Staatsanleihen als Käufer zumindest vorerst wegfallen. 

“Im Spätsommer haben wir darüber berichtet, dass wir bei Schweizer Nischen- und Innovationsunternehmen im kleiner kapitalisierten Bereich, welche eine solide Bilanz ausweisen, zukaufen, wenn die Wirtschaftsindikatoren stark negativ sind”, Strub. Beispiele für Zukäufe bei Industrieunternehmen sind Dätwyler, Bossard oder Interroll. Aber auch beim Gesundheitskonzern Galenica trat der Fondsmanager als Käufer in Erscheinung: Der Schweizer Pharmamarkt werde durch die alternde Bevölkerung angetrieben und durch innovative und hochpreisige Medikamente gestützt. Galenica gefalle zudem aufgrund seiner defensiven Ausrichtung, der hohen Stabilität bezüglich Gewinnwachstum und einer äussert soliden Bilanz. 

Abgestossen wurde hingegen zuletzt die Beteiligung an der SIG Group. “Wir bleiben weiterhin vorsichtig bei Unternehmen, welche heute noch keine Cash Flows erwirtschaften, stark auf externe Finanzierungen angewiesen sind oder einen hohen Verschuldungsgrad ausweisen, was bei den höheren Zinsen zu Refinanzierungsschwierigkeiten führen kann”, so der Fondsmanager weiter. Kleinkapitalisierte Biotechtitel wie Idorsia oder Cosmo Pharmaceuticals werden daher weiterhin gemieden.

Beim bestehenden Investment in BKW werde man hingegen Rücksetzer für Käufe nutzen. Der Stromkonzern profitierte zuletzt stark von den hohen Energiepreisen und sichert den Grossteil ihrer Stromverkäufe drei Jahre im Voraus ab. Dies bedeutet für Strub auch, dass die hohen Preise der letzten zwei Jahre die Gewinndynamik aufrechterhalten werden und mittelfristig diese weiter erhöht werden können.

Die Nummer 1 im Portfolio von Strub ist Inficon. Das Unternehmen hat eine führende Marktstellung bei Vakuuminstrumenten für die Analyse, Messung und Steuerung des Fertigungsprozesses in "attraktiven" Segmenten. “Trotz des Kursanstieges in den letzten Monaten sehen wir weiterhin Potential auch aufgrund der attraktiven Positionierung im Halbleitersektor, wo sie auch neue Sensoren zur Überwachung von Herstellungsprozessen anbieten, welche heute noch nicht auf dem Markt sind”, argumentiert Strub. Daneben sieht der Fondsmanager das Unternehmen gut positioniert, um von den sich erholenden zyklischen Industrien zu profitieren sowie auch von einer Erholung in China, welches für Inficon mit 25 Prozent Umsatzanteil ein wichtiger Markt ist.

Carla Bänziger, Senior Portfolio Manager Swiss Equities bei Vontobel:

“Wir glauben, dass die negativen Auswirkungen der höheren Zinsen noch nicht vollständig in der Wirtschaft angekommen sind und uns eine Rezession im Jahr 2024 noch bevorstehen dürfte”, sagt Carla Bänziger, Portfoliomanagerin bei Vontobel, gegenüber cash.ch. Eine solche Rezession dürfte auch die Inflation weiter runtertreiben, was die Zentralbanken wohl gegen Mitte 2024 zu Zinssenkungen bewegen dürften. Sollte keine Rezession eintreten, dürften die Zinsen später im Jahr trotzdem sinken, da die Geldpolitik für das aktuelle Inflationsniveau zu straff sein dürfte. Dies sollte  spätestens im zweiten Halbjahr ein attraktives Börsenumfeld schaffen.

Bänzinger findet in der aktuellen Marktlage Swiss Re attraktiv. “Wir schätzen die Aktie, weil wir im Rückversicherungsmarkt 2024 erneut mit einem leicht steigenden Preisniveau rechnen und damit mit einem anhaltenden, historisch positiven Umfeld”, so die Argumentation. Ausserdem dürften im Jahr 2024 nicht nur der Anlageertrag, sondern auch der Reingewinn weiter steigen. Durch die Rückkehr zu einer wachsenden Dividendenausschüttung sollte Swiss Re zusätzlich an Attraktivität zulegen.

Ausserdem ist die Fondsmanagerin positiver bei den Immobilienaktien SPS und PSP geworden, die im Umfeld fallender Zinsen wieder attraktiver werden. Damit dürfte 2024 auch der Gegenwind von den negativen Neubewertungseffekten wieder abflachen, während die Vontobel-Expertin die steigenden Fremdkapitalkosten bei beiden Firmen unter Kontrolle sieht.

VAT Group finden wir eine spannende Firma, die gut für die Zukunft positioniert ist. Allerdings hat die Aktie den Swiss Performance Index alleine im November um 22 Prozent outperformed und wir erachten die Bewertung momentan als sehr hoch”, so Bänziger. Falls die Aktie aber deutlich korrigiert, würde sie einen Zukauf in Betracht ziehen.

Die Nummer 1 im Portfolio ist hingegen ABB. Der Technologiekonzern ist aus ihrer Sicht in strukturell wachsenden Bereichen wie Energieeffizienz und Energietransition involviert, die weniger zyklusabhängig sind. Erst letzte Woche hat die Firma am Kapitalmarkttag den mittelfristigen Ausblick erhöht, was von der Vontobel-Expertin als Zeichen einer guten Visibilität gewertet wird.

Patrik Jäger, «IFS Swiss Small & Mid Cap Equity Fund»:

Für Patrik Jäger von der Vermögensverwaltungsboutique IFS bietet das aktuelle Umfeld Argumente sowohl für die Bullen als auch für die Bären: “Der nachlassende Inflationsdruck wird den Zentralbanken im neuen Jahr Spielraum für Zinssenkungen geben, was die Märkte stützen wird." In den USA würden die grossen Konjunkturpakete (Chips Act, Infrastructure and Jobs Act, Inflation Reduction Act) zudem erst jetzt ihre volle Wirkung entfalten. Andererseits zeigen die Arbeitsmärkte sowohl in Europa als auch in den USA nun klare Anzeichen einer Abkühlung. Die bislang so robuste Konsumnachfrage könnte sich daher in den nächsten Quartalen merklich abschwächen.

Aufgestockt hat Jäger jüngst bei Implenia und Mikron. Der Aktienkurs von Implenia leidet noch immer unter der Platzierung eines grossen Aktienpakets im August. Operativ gehe es dem Unternehmen jedoch sehr gut. Dank der Spezialisierung auf anspruchsvolle Projekte wie Spitäler, Tunnelbau und den Infrastrukturbereich im Allgemeinen sei Implenia zudem deutlich weniger zyklisch aufgestellt als früher.

“In Mikron sehen wir die mit Abstand günstigste Möglichkeit, am Abnehmspritze-Boom zu partizipieren”. Zusammen mit der kanadischen ATS ist Mikron führend in der Herstellung von Montagesystemen für Autoinjektoren. 

Auf unseren Kauflisten stehen beim Fondsmanager aktuell vor allem günstig bewertete Industrie-Zykliker wie Bucher, SFS oder Bossard. “Diese sind aktuell klar günstiger bewertet als ihre Pendants im Tech-Bereich. Kursrückschläge von 10-15 Prozent würden wir hier für Zukäufe nutzen”, so Jäger.

Die grösste Position im Portfolio ist nach wie vor Also Holding. Der IT-Dienstleister habe jüngst im Rahmen eines Investorentages klar demonstriert, welches Produktivitätspotential in den zur Zeit entwickelten KI-Applikationen stecken. Also werde im Vertrieb dieser Lösungen kräftig mitverdienen.

Ronald Wildmann, Fondsmanager bei Serafin:

“Wir erwarten, dass der Rückgang der Zinsen sich verlangsamen wird und nicht dauerhaft anhält. Obwohl eine globale Rezession nicht in Sicht ist, wird die Abschwächung der Weltwirtschaft spürbar die Unternehmensgewinne beeinflussen”, prognostiziert Serafin-Fondsmanager Ronald Wildmann. Ein Hoffnungsschimmer sei der baldige Abschluss des Lagerabbaus. Inflationär bedingte Lohnerhöhungen würden sich zudem positiv auf den Konsum auswirken. Zudem werde das Thema Künstliche Intelligenz die Erwartungen an Effizienzsteigerungen und Investitionen verstärken.

“In unserem Wachstumsportfolio haben wir bei der VAT Group einen Teil der Gewinne realisiert, bleiben aber investiert”, sagt Wildmann auf Anfrage von cash.ch. Die Beteiligung an Zehnder wurde aufgrund der negativen Auswirkungen der abschwächenden Baukonjunktur in Europa abgestossen.

Stattdessen habe er Investitionen in Medacta und Siegfried ausgebaut. Im Substanzwerteportfolio hat der Fondsmanager die Beteiligung an Villars auf die Zielgewichtung zurückgeführt und die kürzliche Kurssteigerung bei Arbonia für Verkäufe genutzt. Aufgestockt wurden hingegen die Anteile an Bell und Hiag. “Der Titel von Hiag überzeugt durch seinen signifikanten Abschlag vom inneren Wert. Das Potenzial für Wertsteigerungen gilt nach der erfolgten Finanzierung als gesichert.”

Auf Distanz geht Wildmann in der aktuellen Marktsituation von Unternehmen, die stark von der Bautätigkeit abhängen, wie etwa Arbonia und Zehnder, sowie von Firmen mit intensivem Deutschlandbezug wie Mobilezone. Ebenso werden hoch verschuldete Unternehmen gemieden, es sei denn, es sind kontinuierliche Fortschritte bei der Entschuldung erkennbar, wie im Fall von Aryzta. Bankinstitute stehen ebenfalls nicht auf der Investment-Liste von Wildmann, mit Ausnahme der Cembra Money Bank, die in einer speziellen Nische agiert.

Skan passt in unser Wachstumsportfolio, ist aber sehr hoch bewertet. Wir warten daher auf einen Rücksetzer, um die Aktie zu erwerben”, so Wildmann. Im bevorstehenden Superzyklus der Halbleiterindustrie positioniere sich Comet an der Spitze des Wachstumsportfolios. Wildmann geht davon aus, dass Comet aufgrund seiner starken Wettbewerbsposition besonders von den zunehmenden Investitionen in neue Halbleiterfabriken profitieren wird.

Im Segment der Substanzwerte prognostiziert der Fondsmanager eine Aufwärtsentwicklung für die Vetropack-Aktie. Die anhaltend hohe Nachfrage nach Glasverpackungen, gepaart mit wieder schrumpfenden Lagerbeständen, lasse eine Erholung des Aktienkurses erwarten.

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