Bei der Frage, was die grösste Gefahr für die Aktienmärkte sei, antworteten in den Sommermonaten alle Marktexperten unisono: Eine zweite Corona-Welle im Herbst mit entsprechenden Lockdowns.

Jetzt ist es soweit. Oder fast. Die zweite Corona-Welle ist eine Realität und Länder wie Irland, Wales oder Tschechien verhängen Massnahmen, die einem Lockdown nahekommen. In mehreren europäischen Staaten gibt es zudem abendliche Ausgangsbeschränkungen. Für die Schweiz werden am Mittwoch neue gesamtschweizerische Corona-Massnahmen erwartet.

Doch es gibt auch grosse Unterschiede zur Situation im Frühjahr. Die Gesellschaft als solches hat einen Lernprozess durchgemacht, das alltägliche Leben mit dem Virus ist nichts Neues mehr. Die Regierungen wissen besser, was als Eindämmungsmassnahme wirkt und was nicht. Zudem arbeiten die Spitäler nicht mehr im "Terra incognita", sondern können auf erprobte Behandlungen zurückgreifen und dadurch mehr Leben retten.

Für die Exportwirtschaft besonders bedeutend ist der Umstand, dass in Asien die zweite Welle "noch" nicht angekommen ist. Insbesondere der Absatzmarkt China kann für zahlreiche Schweizer Unternehmen absehbare Umsatzverluste in Europa zumindest zum Teil abfedern. Die Weltwirtschaft als solches steht aus diesen Gründen nicht vor derselben Situation wie im Frühjahr.

Was jedoch die Anleger mit grösster Sorge zur Kenntnis nehmen müssen, ist die Tatsache, dass die Zentralbanken ihre Munition in Form von Zinssenkungen mehrheitlich verschossen haben. Und auch die Staaten werden sich wohl schwertun, auf einen erneuten wirtschaftlichen Einbruch oder eine Verlangsamung der Erholung mit neuen Fiskalprogrammen zu antworten. 

Finanztitel gehörten zu den grossen Verlierern

Der Swiss Market Index (SMI) verlor im Corona-Crash 28 Prozent seines Werts. Dass nun dasselbe passieren wird, wäre aus oben genannten Gründen sicher eine falsche Annahme. Dennoch geben die Daten aus dem Frühjahr einen Hinweis darauf, wer in einem potenziellen "Corona-Lockdown 2.0" verliert oder gewinnt.

Performance der SMI-Titel während des Corona-Crashs von 20. Februar bis 23. März (Quelle: Bloomberg).

Wie aus der Tabelle ersichtlich wird, wurde vor allem Versicherungstitel im Frühjahr sehr stark abgestraft. Die Aktien von Swiss Re, Swiss Life und Zurich Insurance verloren innerhalb eines Monates bis zu 52 Prozent ihres Wertes. Seither haben sich die Titel nicht wirklich erholt. Zu stark lastete bei den Anlegern die Angst vor einer zweiten Corona-Welle.

Dies spricht dafür, dass diese Titel in den kommenden Monaten nicht nochmals übermässig unter Druck kommen werden. Ebenso stellen Schweizer Versicherer immer noch hohe Dividenden in Aussicht, was die Kurse zumindest teilweise gegen unten absichert. Doch ein starker Anstieg der Risikoprämien bei Unternehmensanleihen könnte die Situation für die Versicherungen augenblicklich verschlechtern. Versicherer sind dort stark investiert.

Zumindest bezüglich ihrer Geschäftsergebnisse sind die beiden Schweizer Grossbanken im Moment Krisengewinner. Doch beim Corona-Crash selbst kamen die Aktien der UBS (-40 Prozent) und Credit Suisse (-51 Prozent) sehr stark unter Druck. Erst die Kriseninterventionen der Zentralbanken und der Regierungen verminderten Befürchtungen einer grossen Insolvenzwelle mit entsprechenden Kreditausfällen bei den Banken. Dennoch kommen solche Bedenken mit der zweiten Corona-Welle wieder auf. Anlager sollten also auch bei Aktien von Grossbanken aufpassen.

Swisscom und Nestle haben eine Corona-Resistenz

Beim Crash im Frühjahr gab es im SMI nur relative Gewinner, alle Titel notierten im Minus. Swisscom und Nestlé sind jedoch zwei Titel, die wegen ihres Geschäftsmodells aber eine gewisse Corona-Resistenz aufwiesen. Telekommunikation wird in Corona-Zeiten eher wichtiger als unwichtiger, und die Nachfrage nach Nahrungsmitteln ist wegen ihrer lebensnotwendigen Bedeutung sowieso wenig anfällig auf wirtschaftliche Krisen.

Und auch die Genussscheine von Roche ("nur" -21 Prozent im Corona-Crash) boten im Frühling einen "relativen" Schutz. Die erhöhte Nachfrage nach den Corona-Tests könnte zumindest in den kommenden Monaten auch diese Titel stützen. Allerdings haben die Roche-Titel wie auch die Novartis-Aktien wegen der Dollarschwäche in den letzten Wochen recht deutlich nachgegeben. Und falls Spitäler gewisse Behandlungen und Operationen Corona-bedingt aufschieben müssen, wäre dies für die Performance der Aktien ebenfalls nicht förderlich.

Reisetitel haben zweite Welle eingepreist

Die Reisebranche ist bekanntermassen stark von der Corona-Krise betroffen. Die Menschen haben ihre Reisetätigkeit wegen den staatlichen Corona-Massnahmen oder aus Selbstschutz stark eingegrenzt. Die Aktien des Reisedetailhandelsunternehmen Dufry haben seit Jahresbeginn 60 Prozent ihres Werts eingebüsst. Der Flughafen Zürich steht mit minus 26 Prozent auch nicht wirklich gut da. Und auch bei der Kioskbetreiberin Valora, die stark vom Pendlerverkehr abhängig ist, steht ein Minus von 45 Prozent zu Buche.

Performance der Dufry-Aktien seit Jahresbeginn (Quelle: cash.ch).

Den drei Aktien ist gemeinsam, dass sich diese von ihren Tiefs im März nicht merklich erholt haben. Die Aktie von Valora steht heute gar tiefer als im Frühjahr. Der geringere Reise- und Pendlerverkehr im Herbst und Winter wurde vermutlich schon eingepreist. Vielmehr wird die finanzielle Situation einzelner Titel an Bedeutung gewinnen - wer hat genug Mittel, um die längere Durststrecke unbeschadet zu überstehen? Dufry sorgte schon mit einer Kapitalerhöhung im Wert von 820 Millionen Franken vor, was der Aktie Anfang Oktober vorübergehend zu Kursgewinnen verhalf.

Onlinehandel und Digitalisierer als Gewinner

Gewinner werden während der nächsten Woche Unternehmen sein, die stark im Onlinehandel oder in der beschleunigten Digitalisierung der Gesellschaft beheimatet sind. Einerseits gehört hierzu die Onlineapotheke Zur Rose, die mit ihren Produkten den Weg in die Apotheke zum Teil überflüssig macht. Andererseits ist es der Peripheriehersteller Logitech, der vom nochmals verstärkten Homeoffice-Trend profitieren könnte.

Es erstaunt daher nicht wirklich, dass die Aktien von Zur Rose während des Corona-Crashs gar 21 Prozent zulegten. Gleichzeitig gab der Swiss Performance Index SPI um 26 Prozent nach. Seit Jahressicht steht bei der Onlineapotheke ein Plus von 117 Prozent zu Buche. Logitech (-22 Prozent) konnte sich zwar dem Markteinbruch im Frühjahr nicht entziehen, seit Jahresbeginn haben die Aktien trotzdem 71 Prozent zugelegt.

Performance der SPI-Titel während des Corona-Crashs von 20. Februar bis 23. März (Quelle: Bloomberg).

Anleger, die während der zweiten Corona-Welle defensiv spielen wollen, bieten sich insbesondere Investments in Kantonalbanken an. Diese waren im Corona-Crash ziemlich resistent. Die Aktien der Basellandschaftlichen Kantonalbank verloren beispielsweise "nur" 11 Prozent.

Die Verluste aus dem Frühjahr haben die Kantonalbanken meist auch wettgemacht. So stehen die Graubündner Kantonalbank 1 Prozent im Plus, die Basellandschaftliche Kantonalbank unverändert und die Zuger Kantonalbank 1 Prozent im Minus. Kantonalbanken sind bekanntermassen auf Kontinuität und Sicherheit ausgerichtet, dies bietet Anlegern in der Corona-Krise einen relativen Schutz vor starken Kursverlusten.

Als Beleg dafür kann der Montag dienen, als es an der Börse zu erheblicher Nervosität kam. Zur Mittagszeit gab es an der Schweizer Börse nur 15 Aktien, die im Plus lagen. Darunter waren vier Titel von Kantonalbanken, nämlich diejenigen der Basler Kantonalbank, der Zuger Kantonalbank, der Walliser Kantonalbank und der Banque Cantonale Vaudoise.

ManuelBoeck
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