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Auch bei uns am Schweizer Aktienmarkt wollen die Kurse nach oben. Mit einem Plus von drei Prozent steuert der Swiss Performance Index (SPI) auf einen der besten Dezember in der Geschichte zu. Und mit einem Plus von knapp 17 Prozent zeichnet sich schon heute ein höchst erfreuliches Börsenjahr ab.
Wer im April nach dem Zoll-Hammer aus Washington die Nerven verlor und bei seinen Aktienbeständen die Reissleine zog, dem dürften spätestens bei den Indexrekorden der letzten Tage Tränen der Verzweiflung in die Augen schiessen. Einmal mehr zeigt sich: Auch an der Börse ist Panik meist ein ziemlich schlechter Ratgeber.
Und während bei denjenigen Aktienanlegerinnen und -anlegern, welche damals die Nerven behielten, besonders viele Geschenke unter dem Weihnachtsbaum gelegen haben dürften, fiel die Bescherung bei den Leerverkäufern in diesem Jahr wohl nicht ganz so opulent aus.
Seltene Einblicke ins Treiben hiesiger Leerverkäufer bietet eine Strategiestudie aus dem Hause Kepler Cheuvreux. Darin warten Chefanalyst Torsten Sauter und seine Mitautoren auf Seite 81 mit einer Liste von Unternehmen aus der Schweiz auf, gegen deren Aktien an der Börse Wetten laufen.
Auf dem undankbaren ersten Platz findet sich – wenn auch wenig überraschend – die Versandapotheke DocMorris wieder. Erhebungen des Beratungsunternehmens IHS Markit zufolge gelten mehr als 31 Prozent aller ausstehenden Aktien als «ausgeleiht». Ein geschätztes Drittel davon muss den Wandelanleihegläubigern für sogenannte «Delta-Hedge» herhalten. Das würde dann allerdings heissen, dass mit den verbleibenden zwei Dritteln auf rückläufige Kurse spekuliert wird.
Die Kursvervierfachung bei den Aktien von Idorsia kostete die Leerverkäufer viel Geld und Nerven (Quelle: www.cash.ch)
Würden beide dieser Anlegerspezies ihre «Delta-Hedges» und Wetten gegen DocMorris schliessen, müssten sie Aktien im Umfang von nicht weniger als 60 durchschnittlichen Tagesvolumen zurückkaufen. Was das bedeuten kann, zeigt sich etwa an Idorsia. Die Valoren des Pharmaunternehmens aus dem Baselbiet haben sich alleine seit Januar im Kurs mehr als vervierfacht. Treibende Kraft dahinter sind und waren Deckungskäufe aus dem Lager der Leerverkäufer.
Erst kürzlich gab sich bei DocMorris mit dem Sterling Strategic Value Fund ein prominenter neuer Grossaktionär zu erkennen. Dass diese Beteiligungsnahme bisher keine grösseren Wellen warf, überrascht mich schon sehr. Denn schliesslich zählte einst niemand geringeres als der bekannte Tessiner Financier Tito Tettamanti zu den Gründungsmitgliedern des besagten Investment-Vehikels.
Ich begegnete dem Einstieg mit folgenden Worten:
Was genau den Substanzinvestor zum Einstieg bewogen hat, ist nicht bekannt. Als Wachstumsunternehmen will die Versandapotheke jedenfalls nicht so recht ins Beuteschema passen. Ebenso wenig weiss man, wie Tettamanti zur Beteiligungsnahme steht. Seit seinem Rücktritt von der Verwaltungsratsspitze im Jahr 2012 ist der gebürtige Tessiner Ehrenvorsitzender des Sterling Strategic Value Fund. Das Investment-Vehikel war schon an so manchem börsenkotierten Schweizer Unternehmen beteiligt und ist für seine Einflussnahme genauso bekannt wie gefürchtet.
Eigentlich müssten solche Meldungen bei DocMorris ja so etwas wie ein Kursfeuerwerk zünden. Die vielen Wetten gegen die Versandapotheke bietet jedenfalls einen geradezu idealen Nährboden hierfür. Noch scheinen die Leerverkäufer allerdings fest im Sattel zu sitzen.
Wie der Liste im Strategiepapier entnommen werden kann, laufen auch gegen den Uhrenkonzern Swatch Group (25 Prozent aller ausstehenden Aktien), den Schokoladehersteller Barry Callebaut (16 Prozent aller ausstehenden Aktien), den Software-Reseller SoftwareOne (13 Prozent aller ausstehenden Aktien), den Fleischverarbeiter Orior (12 Prozent aller ausstehenden Aktien), den Bodenbelagsspezialisten Forbo (11 Prozent aller ausstehenden Aktien) und den Halbleiterausrüster Comet (24,6 Prozent aller ausstehenden Aktien) Wetten.
Bei der BCV oder dem Basler Medizinaltechnikherstellers Medartis müssen den Leerverkäufern zwar nur knapp vier Prozent aller ausstehenden Aktien herhalten. Aufgrund des eher dünnen Handels in diesen Titeln entspricht dies bei beiden Unternehmen jedoch mehr als 70 des durchschnittlichen Tagesvolumens. Das ist schon allerhand und würde mir – wäre ich hier denn Leerverkäufer - vermutlich schlaflose Nächte bereiten.
Auch bei Barry Callebaut entwickelt sich der Aktienkurs für die Leerverkäufer so gar nicht in die gewünschte Richtung (Quelle: www.cash.ch)
Die Autoren von Kepler Cheuvreux heben ihrerseits übrigens die Aktien von Barry Callebaut, SoftwareOne, Comet, VAT Group, Coltene, Adecco und Idorsia hervor. Zwei Dinge haben diese Valoren nämlich gemeinsam: Zum einen laufen grosse Leerverkaufs-Wetten gegen sie und zum anderen werden sie von den hauseigenen Analysten des Brokers allesamt mit «Buy» eingestuft.
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, hält es die SIX Swiss Exchange bis heute nicht für notwendig, Statistiken zum Treiben der Leerverkäufer zu führen. Während in den USA solche Statistiken öffentlich zugänglich sind, müssen Leerverkäufe etwa in Deutschland sogar im dortigen Pendant zu unserem «Schweizerischen Handelsamtsblatt» publiziert werden. Man könnte also allenfalls fast von so etwas wie einer «Unterlassungs-Sünde» seitens der SIX sprechen. Ein wenig mehr Transparenz wäre aus Anlegersicht höchst wünschenswert.
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