Für Aktienanleger ist das gegenwärtige Marktumfeld nicht einfach zu navigieren. Die Anleiherenditen sind wegen der geldpolitischen Trendwende in den USA kräftig gestiegen, was Aktien weniger attraktiv macht. Die bereits hohe Inflation erhält durch den Ukraine-Krieg und der damit gestiegenen Rohstoffpreise neuen Nährboden. Und das Wachstum der Weltwirtschaft dürfte wegen der Invasion Russlands 2022 deutlich niedriger ausfallen, als noch Anfang Jahr prognostiziert.

In diesem Marktumfeld, das sich durch eine grosse Unsicherheit und eine erhöhte Volatilität auszeichnet, gewinnt bei einem Aktieninvestment der konstante Anteil an der Gesamtrendite an Bedeutung. Dieses Muster ist schon in früheren Turbulenzen erkennbar gewesen, wie eine Analyse der US-Grossbank Morgan Stanley zeigt. Langfristig trugen Dividenden rund 45 Prozent zur Gesamtrendite von Aktien bei.

Der Schweizer Aktienmarkt bietet indessen ein gutes Umfeld für Dividendenjäger. Die Ausschüttungen fallen 2022 sehr üppig aus, da sich der starke Wirtschaftsaufschwung im vergangenen Jahr in der Gewinnentwicklung der meisten Schweizer Firmen positiv niederschlagen hat. Zudem sind hiesige gute und stetige Dividendenzahler häufig auch Firmen mit einem soliden Geschäftsmodell und entsprechenden Erträgen. Solche Werte mit einem defensiven Charakter werden in unsicheren Zeiten vermehrt gesucht.

Dividendensaison nimmt Fahrt auf

In den kommenden Wochen vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein Schweizer Unternehmen Ausschüttungen vornimmt und an der Börse mit dem Dividendenabschlag gehandelt wird. Am Tag der Dividendenauszahlung wird der Kurs der jeweiligen Aktie automatisch um die Höhe der Dividende gekürzt. Wer zum Zeitpunkt der vorangehenden Generalversammlung in Besitz der jeweiligen Titel ist, kommt in den Genuss der Auszahlung.

Dass dieser Abschlag oftmals nur von kurzer Dauer ist, illustrierten die Genussscheine von Roche am letzten Donnerstag. Diese sackten gleich nach Börseneröffnung ab, schlossen den Handelstag trotz Dividendenabschlag von 9,30 Franken aber unverändert ab. Novartis, das am 8. März ex Dividende gehandelt wurde, hat den Abschlag seither sogar mehr als nur aufgeholt. Obwohl der Aktienkurs in den Monaten vor dem Dividendentermin meist ansteigt, da sich Anlager mit Papieren eindecken, kann sich ein Kauf auch kurz vor dem Auszahlungstermin immer noch lohnen.

Die von vielen Anlegern verfolgte "Buy and Hold"-Strategie gilt dabei als der Königsweg, um langfristig von Dividenden zu profitieren. Wer die Ausschüttungen Jahr für Jahr wieder anlegt, macht sich den Zinseszinseffekt zu nutze. Albert Einstein soll einst gesagt haben: "Der Zinseszinseffekt ist das achte Weltwunder. Wer ihn versteht, verdient daran, alle anderen bezahlen ihn." Den korrekten Zeitpunkt für die Reinvestition gibt es aber nicht. Sich den Dividendenabschlag systematisch zunutze zu machen, kann aber sehr wohl Sinn machen.

In der neuen Woche halten gleich drei SMI-Unternehmen ihre Generalversammlungen ab, am Dienstag der Warenprüfkonzern SGS, am Donnerstag der Technologiekonzern ABB und der Dufthersteller Givaudan. Die Dividende wird gewöhnlich am ersten Arbeitstag nach dem Aktionärstreffen ausgeschüttet. Die untenstehende Tabelle zeigt, nach Datum sortiert, die grössten Schweizer Dividendenzahler, die in den nächsten Tagen und Wochen Generalversammlungen halten und schliesslich Auszahlungen an die Aktionäre vornehmen. Die Dividendenrendite bezieht sich auf den Kurs vom 18. März. Mit "GV-Datum" ist das Datum der Generalversammlung gemeint.

Bobst, Zurich Insurance und Swisscom

Mit einer Dividendenrendite von 8,4 Prozent ist der Verpackungsmaschinenhersteller Bobst unangefochten die Nummer Eins. Doch aufgepasst, der Dividendenexploit ist von einmaliger Natur. Ohne Sonderausschüttung befände sich die Dividendenrendite bei 2,1 Prozent. Trotzdem könnte sich ein Kauf vor der Generalversammlung am 30. März auszahlen. Der Aufwärtstrend beim Aktienkurs - plus 13 Prozent seit Jahresbeginn - dürfte dank der hohen Profitabilität auch nach dem Dividendenabschlag weiter anhalten.

Bâloise (4,4 Prozent), Helvetia (4,4 Prozent), Swiss Life (4,3 Prozent), Swiss Re (6,9 Prozent), oder Zurich Insurance (5,0 Prozent) bieten die Aussicht auf eine vergleichsweise stabile und im Verhältnis zum Aktienkurs hohe Dividende. Die konstanten Prämienzahlungen ihrer Kunden erlauben den Versicherern eine grosszügige Ausschüttung. Wer auf Nummer sicher gehen will, investiert in die Papiere von Zurich Insurance. Der Konzern weist derzeit keine wirklichen Schwachstellen auf. Einzig der diesjährige Kursanstieg von 10 Prozent schafft Raum für eine Korrektur. Swiss Re zahlt zwar mehr aus, ist aber wegen der gestiegenen Risiken im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt und der Inflation die mutigere Wette.

TitelDividendenrenditeGV-DatumTitelDividendenrenditeGV-Datum
Bellevue6,4 Prozen22. MärzSwiss Life4,3 Prozent22. April
Bobst8,4 Prozent30. MärzAPG SGA5,9 Prozent28. April
Meier Tobler5,0 Prozent30. MärzVP Bank5,3 Prozent29. April
Leonteq4,1 Prozent31. MärzEFG International5,2 Prozent29. April
OC Oerlikon4,6 Prozent5. AprilBâloise4,4 Prozent29. April
Mobilezone5,1 Prozent6. AprilHelvetia4,4 Prozent29. April
Zurich Insurance5,0 Prozent6. AprilSwisscom4,0 Prozent30. April
Sulzer4,5 Prozent6. AprilHolcim4,7 Prozent4. Mai
Vontobel4,0 Prozent6. AprilBanque Cantonale Vaudoise (BCV)4,9 Prozent5. Mai
TX Group4,7 Prozent8. AprilLiechtensteiner Landesbank (LLB)4,3 Prozent6. Mai
Julius Bär5,0 Prozent12. AprilBerner Kantonalbank (BEKB)4,2 Prozent17. Mai
Swiss Re6,9 Prozent13. AprilValiant5,2 Prozent18. Mai
Adecco5,8 Prozent13. AprilCompagnie Fin. Tradition (CFT)4,8 Prozent24. Mai
Cembra Money Bank6,1 Prozent21. AprilBurkhalter5,7 Prozent31. Mai
Bystronic6,0 Prozent26. AprilGavazzi4,2 Prozent26. Juli

Daten: cash.ch, Bloomberg

Swisscom (4,0 Prozent) ist eigentlich immer von der Partie, wenn es um Schweizer Dividendentitel geht. Die Aktien des Telekom-Markt-Führers liegen zurecht als defensives Langfrist-Investment in vielen Portfolios hierzulande. Die staatliche Beteiligung an der Swisscom garantiert gewissermassen die Konstanz der Ausschüttung. Vor dem 29. April einen Kauf zu tätigen, ist aber nur mit einer langfristigen Perspektive empfehlenswert. Denn das Kurspotenzial scheint mit einem diesjährigen Anstieg von 7 Prozent auf 550 Franken ausgereizt. Über die letzten Jahre kehrte die Swisscom-Aktie immer wieder zu einem Durchschnittswert um die 500 Franken zurück.

Adecco, Holcim und Banken

Am 13. April findet die Generalversammlung beim Personalvermittler Adecco statt. Mit einer Dividendenrendite von 5,8 Prozent gehört der Titel in die Spitzengruppe. Weniger einladend ist hingegen der Kursverlauf der Aktie. Seit Ende Juli hat der Titel beinahe ein Drittel an Wert verloren. Auch zukünftig dürfte es der frühzyklische Wert bei einer Wachstumsverlangsamung der Weltwirtschaft schwerhaben, obwohl Adecco zuletzt das Umsatzniveau von vor der Krise erreicht und die Marge gesteigert hat. Ein Pluspunkt ist das vorwärtsschauende Kurs-Gewinn-Verhältnis, das mit einem Wert von 9 zu einem Kauf einlädt.

Insgesamt interessanter ist jedoch der Kauf der Holcim-Aktien (4,7 Prozent). Der grösste Zementkonzern der Welt ausserhalb Chinas hat in der Vergangenheit die Verschuldung stark reduziert, hat zuletzt die Ausschüttungen um 10 Prozent erhöht und plant auch 2022 mit einem starken Wachstum. Zudem verfügt Holcim dank lokaler Produktion über keine Lieferkettenstörungen und das Russland-Exposure ist gering. Und auch das vorausschauende KGV kommt bei attraktiven 10 zu liegen. Ebenfalls günstig bewertet sind der Bauzulieferer Burkhalter (5,7 Prozent) und der Gebäudetechniker Meier Tobler (5,0 Prozent), die beide über einen konstanten Geldfluss verfügen.

Mit EFG International (5,2 Prozent), Banque Cantonale Vaudoise (BCV; 4,9 Prozent), Berner Kantonalbank (BEKB; 4,2 Prozent), Valiant (5,2 Prozent) oder VP Bank (5,3 Prozent) sind gleich meherere kleinere Bank-Institute unter den Top-Dividendenzahlern vertreten. Wobei gerade die Kantonalbanken in Zeiten erhöhter Volatilität das Portfolio gegen unten absichern können. Dank den steigenden Zinsen - das Kreditgeschäft wird lukrativer - mehr Kurspotenzial bieten die Aktien der beiden grösseren Bank-Institute Vontobel (4,0 Prozent) und Julius Bär (5,0 Prozent).

Das Kreditinstitut Cembra Money Bank hat Mitte Februar mit einer Dividendenerhöhung überrascht. Damit rentieren die Valoren aktuell mit 6,1 Prozent, wobei der Auszahlungstermin nach dem 21. April anfallen sollte. Trotzdem eigenen sich die Aktien nur als Beimischung im Portfolio. Die Aktien haben sich vom Verlust der Partnerschaft mit Migros bislang nicht erholt. Und entscheidend für den zukünftigen Kursverlauf wird sein, wie viele Cumulus-Kunden nach dem Auslaufen der Migros-Partnerschaft dann tatsächlich zur Konkurrenz wechseln.

ETF auf Schweizer Dividenden-Aktien

Anstatt jedoch einzelne Dividendenaktien ins Portfolio aufzunehmen, können Anleger das Risiko mit Dividenden-ETF (Exchange Traded Funds) breiter streuen. Man profitiert ebenfalls von den Dividendenausschüttungen, vermeidet aber das Kursrisiko einer Einzelaktie. Die anfallenden Dividenden werden an die Anleger entweder in Form von Ausschüttungen auf das hinterlegte Konto oder mittels Reinvestition in den Fonds weitergegeben. Letzteres ist bei sogenannten thesaurierenden ETF der Fall. Die erste Variante ist unter den ETF jedoch der Normalfall.

Der "iShares Swiss Dividend ETF" bildet den SPI Select Dividend 20 Index ab. Er ist damit in 20 Unternehmen des Swiss Performance Index (SPI) investiert, die sich durch hohe Dividendenrenditen und einer nachhaltigen Dividendenpolitik auszeichnen. Die Ausschüttungen werden "ad hoc" vorgenommen, also dann, wenn die Dividendenzahlungen der Unternehmen anfallen. Seit Jahresbeginn hat der ETF 2 Prozent verloren, schlägt sich damit aber deutlich besser als der SPI, der 6 Prozent tiefer steht. Die Gesamtkostenquote beträgt 0,15 Prozent.

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