Warum gibt es eigentlich Kursziele für Aktien? Diese Frage haben sich schon manche Anleger gestellt. Analysten bei Banken und Brokern versuchen auf Basis verschiedener Berechnungsmethoden den "wahren Wert" einer Aktie herauszufinden. Grundlagen sind etwa die Entwicklung von Umsatz und Unternehmensgewinnen unter Rücksichtnahme von Branchentrends oder Konjunkturverlauf. In die Beurteilung fliessen auch exklusive Gespräche zumeist mit den Finanzchefs der zu analysierenden Unternehmen.
Die Kursziele der Analysten, die als Resultat der Unternehmensstudien herauskommen, gelten zumeist auf Sicht von zwölf Monaten. Es ist ein Blick in die Zukunft, und solche Prognosen sind selbst bei ausgefeilten Berechnungsmethoden mit Unabwägbarkeiten behaftet. Viele Kursziele stellen sich im Nachhinein als falsch heraus.
Feind der Analysten sind in dem Sinne Märkte, die viel zu schnell fallen oder steigen - etwa die "Corona-Börse" ab Februar. Folge: Die Experten kommen kaum nach, ihre Kursziele anzupassen. Einige Analysten haben auch eine heikle Zusatzfunktion: Sie unterstützen die Handelsabteilung einer Bank beim Verkauf der Aktien (die so genannten "Sell-side-Analysten"). Das wirft immer wieder Fragen zur Unabhängigkeit von Aktienanalysen auf. Kursziele von Analysten können also nur ein Parameter bei der Auswahl und Wertung von Aktien sein.
Vor diesem Hintergrund ist die Liste von aktuellen Kurszielen für grosse Schweizer Aktien zu sehen, welche cash.ch aufgrund von Daten von Bloomberg zusammengestellt hat. Dabei wird der Durchschnitt von allen Analysten-Kurszielen der entsprechenden Aktie zum aktuellen Preis ins Verhältnis gesetzt - womit sich ein theoretisches Kurspotenzial auf Sicht von zwölf Monaten ergibt.
Differenz Kurse und durchschnittliche Kursziele der SMI-Aktien
Aktie | Aktueller Kurs (in CHF) | Kursziele Durchschnitt (in CHF) | Differenz/Kurspotenzial |
Credit Suisse | 9 | 12 | 33 Prozent |
UBS | 10 | 13 | 30 Prozent |
Swiss Re | 69 | 85 | 22 Prozent |
LafargeHolcim | 42 | 51 | 21 Prozent |
Swiss Life | 347 | 430 | 19 Prozent |
Novartis | 81 | 96 | 19 Prozent |
Roche | 323 | 377 | 17 Prozent |
Zurich | 322 | 365 | 13 Prozent |
Partners Group | 855 | 932 | 9 Prozent |
Alcon | 53 | 57 | 8 Prozent |
Nestlé | 110 | 115 | 5 Prozent |
Richemont | 62 | 64 | 3 Prozent |
Swatch | 215 | 220 | 2 Prozent |
Sika | 221 | 226 | 2 Prozent |
ABB | 23,6 | 24 | 2 Prozent |
Lonza | 566 | 564 | -0,3 Prozent |
Swisscom | 494 | 488 | -1 Prozent |
SGS | 2489 | 2325 | -7 Prozent |
Givaudan | 3963 | 3514 | -11 Prozent |
Geberit | 542 | 474 | -13 Prozent |
Kurse (gerundet): 29. September / Daten, Analyse: Bloomberg, cash.ch
Investoren müssten sich laut der Aufstellung förmlich auf die Aktien der Credit Suisse und der UBS stürzen. Denn gemäss Kurszielen der Analysten haben die Titel der Schweizer Grossbanken das grösste Aufholpotenzial der SMI-Aktien gemessen am aktuellen Kurs, nämlich über 30 Prozent.
Von den 28 Analysten, die Bloomberg zum Beispiel bei der Bewertung der CS-Aktie berücksichtigt hat, sieht eine erdrückende Mehrheit zum Teil deutlich höhere Kurse. Der Morningstar-Analyst etwa schätzt die CS-Aktie gar auf 17 Franken - bei einem heutigen Stand von etwas mehr als 9 Franken. Nur ein Analyst sieht die Aktie in zwölf Monaten auf dem heutigen Niveau (Barclays mit 8,50 Franken).
Die positive Stimmung der Analysten bei den Bankaktien hält seit Jahren an. Das oft gehörte Argument: Die einzelnen Firmenteile der Banken seien viel höher als die jeweilige Börsenkapitalisierung. Doch ebenfalls seit Jahren sieht dies der Markt anders. Die Kurse wollen nicht nachhaltig steigen. Die Aktie der CS kostete Mitte 2016 einmal 10 Franken, Anfang 2018 dann plötzlich 18 Franken, heute wieder 9. Wie die Aktie der CS (oder auch die der UBS) in europäischen Tiefzinsumfeld gepaart mit unsicheren Wirtschaftsaussichten 30 Prozent mehr Wert sein soll, bleibt etwas schleierhaft.
Steigende Pharmakurse plausibler
Plausibler erscheint das Kurspotenzial von Novartis oder Roche über die nächsten zwölf Monate, das von den Analysten mit je fast 20 Prozent veranschlagt wird. Speziell Novartis dürfte mit zunehmenden Verschwinden der Corona-Thematik, welche das Unternehmen im Gegensatz zu Roche nicht "ausnutzen" konnte, wieder vermehrt auf den Radar der Investoren gelangen. Ein Abflauen der Pandemie wird auch den Assekuranz-Titeln helfen, wobei die Analysten den Aktien von Swiss Re mit 22 Prozent das grösste Kurspotenzial zutrauen.
Am unteren Ende der SMI-Aktien erstaunt die Platzierung des Duftstoffherstellers Givaudan. Gemessen an den Kurszielen wird die Aktie in der nächsten Zeit 11 Prozent nachgeben. Einen derartigen Kursrückschlag hätte allerdings Seltenheitswert, denn Givaudan wächst an der Börse seit Jahren kontinuierlich. Das Unternehmen setzt sich für die kommenden fünf Jahre die gleichen Ziele wie in den vergangen fünf, wie Givaudan vor einem Monat bekannt gab. Die eigenen Zielvorgaben hat Givaudan immer erreicht. Womöglich ist Givaudan den Analysten einfach zu langweilig. Den Investoren, darunter Bill Gates, nicht.
Das Prinzip "Hoffnung auf Pandemie-Ende" begleitet die Analysten auch beim SPI-Titel und Reisedetailhändler Dufry. Die Aktie hat ein Kurspotenzial von 65 Prozent in zwölf Monaten. Das ist insofern etwas verwirrend, weil bei Bloomberg noch ein Kursziel von 130 Franken vom 8. März geführt wird. Damals kostete die Aktie noch 60 Franken und befand sich im freien Corona-Fall. Dennoch wettet die Mehrheit der Analysten auf deutlich höhere Dufry-Kurse. Eine ziemlich wacklige Sache, denn die ZKB rechnet erst 2023 wieder mit einem Umsatzniveau auf der Höhe von 2019.
Differenz Kurse und durchschnittliche Kursziele von SPI-Aktien (Auswahl)
Aktie |
|
| Differenz/Kurspotenzial | ||
Dufry | 29 | 48 | 65 Prozent | ||
Klingelnberg | 16 | 26 | 64 Prozent | ||
Zur Rose | 225 | 360 | 60 Prozent | ||
Basilea | 49 | 75 | 54 Prozent | ||
Molecular Partners | 16 | 24 | 49 Prozent |
Kurse (gerundet): 29. September / Daten, Analyse: Bloomberg, cash.ch
Die Versandapotheke Zur Rose ist eine der Corona-Gewinnerinnen am Schweizer Aktienmarkt. Und wenn es nach Analysten geht, liegt noch einiges an Potenzial drin. Mainfirst veranschlagt laut einer fünf Tage alten Studie gar ein Kursziel von 516 Franken - mehr als das Doppelte des aktuellen Preises. Das ist doch etwas wagemutig bei einem Unternehmen, das im August einen Halbjahresverlust bekannt gab und dessen Aktienkurs seit dem Jahreshöchst von Mitte Juli deutlich zurückgefallen ist. Analysten (und das Unternehmen) rücken aber vor allem das Wachstum und nicht die Verlustzahlen in den Vordergrund - und das Wachstum soll 2021 vor allem im Beeich der rezeptpflichtigen Medikamente erfolgen.
Aktien im "überbewerteten" Bereich gibt es am breiten Markt natürlich auch gemessen an den Kurszielen. Das Aushängeschild ist hier Ems-Chemie. Gemessen an den durchschnittlichen Kurszielen hat die Firma von CEO und Mitbesitzerin Magdalena Martullo-Blocher ein Abwärtspotenzial von 23 Prozent. Allerdings hat die Firmenlenkerin die Analysten mit positiven Gewinnzahlen immer wieder auf dem falschen Fuss erwischt.
SPI-Aktien mit ebenfalls negativen Kurspotenzial sind Banque Cantonale Vaudoise (13 Prozent), Lem (15 Prozent) und Kühne+Nagel (16 Prozent).
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